Die Bauernhochzeit im Saal

17 Hippies, Karlsruhe, Jubez, 7.3.2004

Immerhin, das Publikum raucht engagiert. Vielleicht ist das schon der erste Hinweis darauf, dass die 17 Hippies im Grunde auf einer Bühne nicht ganz richtig platziert sind. Da sind aber zu Beginn sowieso erst mal nur fünf, und noch ist das Klangbild überschaubar. Mithin wächst es über die Minuten zu einem ockerbraunen Saiten-Grundschrammeln an, über dem dann der rotsilberglänzende Gebläseteufel tanzt. Zuviele Superlative? Zunächst einmal macht die Band quantitativ einiges her, nicht nur durch die schiere Anzahl der Mitspieler, sondern die überwältigende Vielfalt der Stilistiken, aus denen sie ihr musikalische Süppchen kocht: Valse und Musette ist zu hören, Cajun und Zydeco, treibende Polka, hüpfend Balkaneskes und Chanson. Oder, wie irgendwo zu lesen stand „Neo-Chansoneskes“. Wenn das bedeutet, dass die Sänger nicht besonders gut singen können, dann ist es wohl wahr. Doch wieder ein Superlativ: So viele Sänger, und keiner bringts. Alle singen sie, als wäre es eine Zumutung, es tun zu müssen.

Das Grundtaktklatschende Publikum schert’s wenig, denn lebhaft und beschwingt ist die Performance, gelegentlich etwas ausgefranst und auch schludrig an den Rändern, aber nach einer guten halben Stunde wird die Musik dichter. War man gerade sicher, Töne wie aus Uropas Grammophon gehört zu haben, bricht plötzlich eine langsames (!) Banjo-Solo sich Bahn, oder eine schattige Oboe fordert Erstaunen ein. Klezmer? Man will die Menschen verwirren, ganz bestimmt. Und erfreut sie doch nur. Rhythmische Patterns erheischen tranceähnliche Zustände. Werden sie durchbrochen, bleibt manche Patschhand erschrocken in der Luft stehen, kraftlos im Wind. Eine Posaunennote schrägt durch den Rauch. Parodie oder Ernst? Ach was, solche Fragen stellen nur Feuilletons. Schon winkt wieder das Polkamädchen. Lernt zu schweben, Leute, lasst los. Kommt an die Tische draußen im Grünen, die schweren alten Stühle. Trinkt meinetwegen Rosentaler Kadarka aus schweren alten Karaffen. Und lasst 17 Hippies um euch herumtanzen. Einen Moment später fährt dein balkanischer Tisch auf der Seine entlang. Sind das Klischees? Klar, aber die Kapelle, das Orchester, der Haufen bedient sich um der Wiedererkennbarkeit willen auch aller Klischees, derer sie habhaft werden kann. Die macht sie dann zu etwas durchaus Eigenem. Ungeklärt bleibt die Frage, ob eigen auch authentisch heißen muss. Die Frage aber erübrigt sich, wenn ganz am allerletzten Schluss die Bühne ins Publikum verlegt wird, die Mikrophone aus sind und einfach auf dem harten Boden des Saales weitergemacht wird. Dann stehen da auch diese schweren alten Tische mit den weißen Tischdecken und dem süßen Rotwein. Und aus dem Boden wächst saftiges Gras, jetzt nicht mehr ockerbraun.