40 Jahre Wishbone Ash

Erstmals veröffentlicht im ROCKS Magazin 2009

6. Mai 2008, Washington DC. XM Satellite Radio Studio Session. Wishbone Ash spielen vor 50 Zuhörern ihren 1972er Klassiker Argus noch einmal live ein, für die Reihe ›Then Again Live‹. Das Prinzip: Klassische Bands spielen ihr klassisches Album. Wie Jethro Tull (Aqualung), REO Speedwagon (Hi-Infidelity) oder die Allman Brothers Band (Eat A Peach). Im Fall Wishbone Ash ist die Wiederbelebung von Argus nicht zuletzt auch eine würdige Vorbereitung der Feier des 40jährigen Bandjubiläums in diesem Jahr.

Januar 2009, im winzigen Backstage-Bereich des Freiburger Jazzhauses: »Da hat man nur eine Chance, das ist sehr geradlinig, da gibt es keine Overdubs« sagt ein ganz entspannter Andy Powell., der seither mit seinen drei Bandkollegen schon wieder 63 Konzerte in den USA und Europa gespielt hat: »Furchtbar war nur, dass ich war am Abend vorher eine Lebensmittelvergiftung hatte. Ich wusste am Morgen noch nicht, ob ich es schaffen würde. Aber wenn man das so lange gemacht hat, weiß man, wie man seine Reserven mobilisieren kann, um so etwas zu überstehen«. Spricht’s und sieht immer noch ziemlich entspannt aus.

»Die Situation ist ja so: Man hat heute dass Internet, es gibt die Fan Foren, das Feedback ist ungeheuer groß, und die Fans reden mehr und mehr mit«, sagt Powell. »Persönlich spiele ich schon lieber mehr aktuelles Material. Andererseits bin ich glücklich, die alten Sachen zu spielen, aber ich möchte nicht, dass wir zu unserer eigenen Tribute Band werden. Argus komplett zu spielen, war ein Geschenk an die Fans, sie haben es gewollt, man sollte aber nicht zuviel Aufhebens darum machen. Wenn es das ist, was die Menschen ab und zu gern hören, dann machen wir es«.

Andy Powell hat mit Wishbone Ash zum ersten Mal am 10. November 1969 auf der Bühne gestanden. Aynsley Dunbars Retaliation war die Band, für die sie damals einen Abend in der Civic Hall in Dunstable eröffneten. Dunbar war Drummer bei John Mayall gewesen, für seine eigene Band hatte er Victor Brox, den Sänger von Alexis Korner engagiert. Sie waren Kinder des damals in England erstarkenden Bluesbooms, und Andy Powell fühlte sich auf dieser Bühne wohl: »Ich war Mitte der 60er Jahre ein großer Blues-Fan, und ich habe diese Sorte Bands verfolgt, also war es ein großes Ding, in diesem Package zu sein. Wir kamen auch wirklich gut an. Ich denke, die Leute haben vom ersten Moment an gemerkt, dass wir unseren eigenen Sound hatten, der einfach anders war. Zu der Zeit hatte jede Band ihren eigenen Sound, die progressiven Bands kamen damals gerade heraus«. Fünf Pfund Gage gab es obendrein, und fünfhundert Leute wussten nach diesem Abend, wofür Wishbone Ash stehen: Für eine bis dato so nie gehörte Verzahnung zweier gleichberechtigter Leadgitarren.

Dabei war das so eigentlich nicht geplant gewesen.

Der 19jährige Bassist Martin Turner aus Torquay und sein Gitarre spielender Bruder Glenn trafen 1966 in einem Café in Exeter den Trommler Steve Upton. Der Typ hatte ihnen etwas voraus: Auslandserfahrung! Mit einer seiner Bands hatte er schon in deutschen Clubs gespielt.

Aus den Empty Vessels (so hieß das Trio zunächst) wurde Tanglewood, und damit kam auch die Professionalisierung. Am Neujahrstag 1969 hatte Martin Turner völlig übermüdet einen Unfall gebaut und danach beschlossen »Du kannst nicht nachts und tagsüber arbeiten. Man muss entweder das eine oder das andere tun.« Im Juli 1969 spielten Tanglewood mit Upton und Turner ihren letzten Gig im Country Club in Hampstead. In dieser Phase trat Miles Copeland III auf den Plan. Ein wahrer Mann: Ein amerikanischer „Emigrant“, der in Beirut als Sohn einer schottischen Mutter und eines amerikanischen CIA-Agenten aufgewachsen war. Ein geborener Manager: »Ich habe die Jungs gesehen, und sie waren großartig. Wie sich herausstellte, war es die letzte Show in dieser Besetzung, wir wurden Freunde, und ich bot mich an, beim Aufbau einer neuen Band zu helfen«. In Copelands Haus, wo die Strategie entwickelt wurde, gab es auch einen Proberaum für Miles’ kleinen Bruder Stewart, der gerade Trommeln lernte, um später mit The Police zu Weltruhm gelangen. Was passiert wäre, wenn Copeland in der Frühphase nicht n Bord gewesen wäre, sieht Andy Powell in der Rückschau ganz klar: »Nichts, überhaupt nichts. Alle Bands in dieser Zeit hatten dynamische Manager, und er war wirklich das fünfte Mitglied der Band – er hat die Band in gewisser Weise geformt«. Copeland zahlte für eine Anzeige im Melody Maker, denn Martins Bruder Glenn war wieder abgesprungen, also suchten er und Steve einen Gitarristen (und eigentlich auch einen Keyboarder) »Gesucht: Leadgitarrist. Muss positiv denken, kreativ und umgänglich sein, für eine Band mit großer Zukunft.« Der erste ernstzunehmende Kandidat war Ted Turner, der schon einmal erfolglos bei Jon Hiseman’s Colosseum vorgespielt hatte. Später beschaffte Copeland seiner Band Auftritte mit dem Hinweis, sie seien schließlich Freunde von Colosseum.

Aber zunächst einmal lehnten auch Martin und Steve Ted ab. Er schien ihnen nicht gut genug. Ein paar Wochen später änderten sie ihre Meinung, und Martin Turner musste sich bei einem zweiten Anruf von Teds Mutter erst einmal einen vorwurfsvollen Vortrag anhören, was für ein begnadeter Gitarrist ihr Sohn sein. Erst als er ihr offenbarte, dass sie ihn noch einmal nach London einladen wollten, wurde sie freundlicher. Auftritt Andy Powell. Bei ihm waren sich die beiden Bandgründer sicher, dass sie ihn wollten: Damals ein Mod, in Mohair gekleidet, mit kurzen Haaren, war er ein Fan der Shadows und hatte es bislang mit seiner Band immerhin geschafft, für Bands wie The Small Faces oder The Who als Einheizer aufzutreten. Eine gemeinsame Vorspiel – Session von Andy Powell und Ted Turner bescherte der Rhythmussection offenbar einen dieser berühmten magischen Momente. Damit war die klassische Besetzung mit der gleichberechtigten Doppelgitarrenspitze sozusagen eher zufällig geboren. Wishbone Ash waren die erste Band, die die harmonischen und melodischen Möglichkeiten dieser Besetzung auslotete, erfunden hatten sie die Zwei-Gitarren-Besetzung nicht. Die Yardbirds mit Jeff Beck und Jimmy Page waren vorher da. Spurenelemente des von Turner und Powell entwickelten Wühlens im Wohlklang durch Unisono-Spiel und eng verzahnte, hocherotische Rhythmusgitarren-Verschachtelung fanden sich schon bald in der Musik von Thin Lizzy, beispielsweise. Die Doppel-Leads von Brian Robertson und Scott Gorham im »Cowboy Song« oder »The Boys Are Back In Town« sind schon fast plagiatverdächtig. Auch härtere Bands wie Iron Maiden haben sich ein paar Scheibchen vom Ash-Gitarrenkosmos abgeschnitten: Man höre beispielsweise »Afraid To Shoot Strangers« und »Childhoods End« vom »Fear Of The Dark« Album. „Ich hab’ Scott Gorham von Thin Lizzy vor ein paar Jahren getroffen, er hat mir erzählt, als Phil Lynott von Dublin nach London kam, und uns im Lyceum Ballroom live gesehen hat, hat er zu einem Kumpel gesagt: Das ist genau der verdammte Sound, den wir brauchen“, grinst Andy Powell. Wahrscheinlich hat Lynott die Show gesehen, über die Sounds-Kritiker Ray Telford im April 1971 schrieb: „Trotz der deutlich sichtbaren Nervosität zu Beginn der Show, taute Gitarrist Andy Powell nach der ersten Nummer auf und ließ selbstbewusst mehr exzellente Musik folgen. Der zweite Gitarrist Ted Turner zog gleich in »Phoenix«, einem der längsten Songs des Sets, der wegen seinem erfindungsreichen Spiel interessant blieb. Die Rhythmussection Martin Turner und Steve Upton gehören zweifelsohne zu den besten in Großbritannien. Besonders Upton weiß genau, wie man Dynamik bis zum Äußersten ausreizt…“

Roy Hollingworth schrieb am 23. Januar 1971 im Melody Maker eine eher lauwarme Rezension des im Dezember 1970 erschienenen Debütalbums. Immerhin erkannte er in der Ballade ›Errors Of My Way‹ eine Abkehr von der Standardware und empfahl der Band, sich öfter in diese Neo-Folk Richtung zu bewegen »denn das gibt ihnen die Chance, ihren bemerkenswerten Sinn für Freiheit auszuspielen«. Dem Rest des von Deep-Purple-Produzent Derek Lawrence produzierten Albums konnte er weniger abgewinnen: »Im Grunde ist es der gleiche Hardrock, der Nacht für Nacht in diesem Land gespielt wird.« Ach ja? In den verspielten, verschachtelten, trip-mäßig auf und abschwellenden Songs ›Handy‹ und ›Phoenix‹ hörte er diese genresprengenden Freiheiten, die sich die Musiker nahmen, offenbar nicht. Auf Pilgrinage (1971) gingen sie sogar noch einen Schritt weiter: ›Vas Dis‹ stammte von dem Jazzer Jack McDuff und hatte neben dem rock-untypischen 7/4 Taktmaß auch noch Scat- Gesang von Mister Martin Turner zu bieten. Das der Business-Legende nach immer schwierige dritte Album Argus (1972) wurde von den Lesern des Sounds Magazins als „bestes Rockalbum des Jahres“ und von denen des Melody Maker als „Top British Album“ gewählt. Argus verwies die ebenfalls in jenem Jahr erschienenen Machine Head (Deep Purple) und Thick As A Brick (Jethro Tull) auf die Plätze. Die Band besteht später darauf, dass das Album trotz seiner durchgängigen Themen Krieg, Frieden und Zeit nie als Konzeptalbum geplant war – bei vielen Kritikern und Fans hat es aber genau diesen Eindruck hinterlassen. Allein ›Blowin Free‹ handelt von etwas ganz anderem, nämlich von Anneline Werdstrom. »Sie kam aus Göteborg. Wir spielten diesen Gig in der St. Lukes’s Hall in Torquay, und da waren wohl 200 schwedische Mädels, die alle Ferien machten«, erinnert sich Martin Turner. »Sie war genau das Gegenteil von mir, sie liebte die Natur und war gern in der frischen Luft. Der Refrain des Songs ›You Can Only Try‹ war ihre Standardantwort darauf, wenn ich irgendwas unbedingt haben wollte«.

Wishbone Four (1973 ) blieb auf Kurs, die Band produzierte zum ersten mal selbst, es wurde Zeit für ein Live Album, das rechtzeitig zu Weihnachten 1973 erschien: Live Dates reihte sich im Laufe der Jahre nach seinem Erscheinen in eine Reihe mit Deep Purples Made in Japan und Thin Lizzys Live and Dangerous ein: Alle diese Alben (unabhängig von eventuellen Nachbesserungen) liessen die Bühnen-Intuition über die im Vergleich eher vorsichtigen Studioversionen triumphieren. Zudem verkaufte Live Dates sogar mehr als Argus. Allein in den USA gingen in der ersten Woche 100.000 Exemplare weg.

»Ich war gerade mal 24 und ich wollte als Person wachsen – und es musste doch einfach im Leben eines Menschen mehr geben als Rock’n’Roll«. So klingt die nachgeschobene Begründung Ted Turners, der am 2. Mai 1974 die Band verließ, gerade als weltweiter Erfolg an die Tür klopfte. Andy Powell flog nach New York und überzeugte Laurie Wisefield bei ein Paar Drinks an der Bar, er solle doch mal vorbeischauen. Wisefield spielte zu der Zeit für Al Stewart und hatte zwei Alben mit der Band Home aufgenommen.

Wishbone Ash Mark II war geboren und nahm unter der Regie von Bill Sczymzyk zum ersten Mal in Amerika auf: There’s The Rub wurde das kraftvolle Statement einer Band, die wie neugeboren klingt. Nebenbei hatte versuchte der Produzent noch, den jungen Engländern den gerade arbeitslosen Joe Walsh als weiteres Mitglied anzudienen. Die brauchten ihn aber nicht, Sczymzyk gab ihn an die Eagles weiter, die nach Wishbone Ash im gleichen Studio Hotel California produzierten. Wishbone Ash waren unterdessen von ihrem Album so überzeugt, dass sie es bei einigen Konzerten im in voller Länge spielte – obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht war. Aber schon im Herbst 1975 geriet die Band in eine Krise: Aus steuerlichen Gründen waren sie in die USA umgezogen, Manager Miles Copeland war nicht mehr an Bord. Der Wunderproduzent Tom Dowd, der Rod Stewart und Lynyrd Skynyrd zu Weltruhm hochproduziert hatte, sollte es richten. Seine erste Maßnahme: Totales Alkohol- und Drogenverbot im Studio. »Wir schauten uns an und waren total platt«, sagt Martin Turner. »Er hatte gesehen, wie manche Bands ihre Karrieren durch Exzesse zerstört hatten. Gut, wir nahmen Drogen und wir tranken Alkohol. Aber nie in dem Masse, dass unsere Arbeit dadurch beeinträchtigt wurde.« »Alles lief schief«, erinnert sich auch Andy Powell. Dowd hatte gerade eine traumatische Scheidung hinter sich, ein Freund war erschossen worden, er tauchte tagelang nicht im Studio auf. »Da hätten wir die Sache einfach stoppen sollen, aber es ging nach dem Motto: Hey, da sind einige interessante Songs, die sind gut gespielt. Das war gar keine wirkliche Produktion, wir hatten unseren englischen Sound verloren und klangen wie eine Combo«. Damals, sagt Andy Powell heute, war der einzige Punkt in vier Jahrzehnten Wishbone Ash, an dem er an Aufgeben dachte. »Ich dachte wirklich, wir haben den Plan verloren. New England war eine Reaktion darauf, wir lebten zusammen in einem Haus und produzierten mehr oder weniger selbst. Wir haben ein Studio im Keller zusammengebaut….«. Das nur acht Monate nach Locked In im Oktober 1976 nachgeschobene Album erreichte fast wieder die Qualitäten von There’s The Rub. Mittlerweile ist Punk die heiße Sau, auf der man durchs Dorf reitet, aber die Plattenfirma zeigt der neuesten Mode mit einer Anzeige zur 77er-UK-Tour den Stinkefinger: „Warum haben 40.000 Leute gutes Geld bezahlt um langweilige alte Fürze zu sehen?“ lautete die provokative Schlagzeile. Darunter sind „zehn gute Gründe“ abgebildet: Die bisher erschienen 10 Alben der Band.

Und doch war schon Front Page News (1977) wieder ein Zeichen erneut einsetzender Orientierungslosigkeit. Zudem schafft es die Band auf allen noch in der Dekade folgenden Alben nicht mehr, ihre Bühnenenergie einzufangen. Ist No Smoke Without Fire noch zumindest in Teilen krachend und hymnisch, so driften die Songs auf Just Testing ins Belanglose ab. Als ein Teil der Band einen „richtigen Leadsinger“ wollte, ging Martin Turner zum ersten Mal. Das Prinzip der Drehtür hielt Einzug: John Wetton ersetzte Turner, Number The Brave pendelte zwischen zahnlosem 0815 Rock und lauem Pseudofunk. Nichts machte die Misere deutlicher als die Flucht in eine vollends uninspirierte Coverversion von ›Get Ready‹. Wetton ging, Trevor Boulder übernahm. Was machen wir jetzt? Aaah! Heavy Metal oder das, was wir darunter verstehen. So klangen die hingerotzten Alben Twin Barrels Burning und Raw To The Bone. Bei diesen Scheiben verloren Ash zunehmend ihren klassischen Doppelgitarrensound aus den Augen.

Ausgerechnet der ehemalige Manager Miles Copeland war es, der das Original-Lineup 1987 wieder zusammenbrachte, Er hatte eine neue Serie für Instrumentalmusik namens „No Speak“ an den Start gebracht, und Wishbone Ash MK I lieferten ihm Nouveau Calls, dessen ganz hoch fliegendes »Real Guitars Have Wings« der Opener der aktuellen Argus Live-Version ist. Auf Here To Hear und Strange Affair (1991) wurde dann wieder gesungen, Aber die Reunion der Originalbesetzung hielt nicht lange. Mitten in der Produktion zu Strange Affair warf Drummer Steve Upton das Handtuch. Es begann die Zeit stetiger Besetzungswechsel, einzige Konstante ist und bleibt bis heute Andy Powell. »Ich bin überzeugt, Musiker werden einfach langsamer reif als andere Leute, wir sind wie Kinder«, sagt er, »aber das liegt daran, das wir immer versuchen, kreativ zu sein. Und Kreativität ist ein ständiger Kampf, und oft gibt es eben Streit, weil jeder meint, er wolle das Beste. Es ist ja nicht so, dass die Streithähne sich auf einer persönlichen Ebene hassen würden. Aber schon hat man eine Krise«.

Mit Illuminations zeigte Powell 1996, dass er auch alleine das Schiff wieder auf eher vertrauten Kurs bringen konnte, ohne sich ständig selbst zu wiederholen. Martin Turner kam in dieser Zeit noch mal als Tour-Aushilfe an Bord. Aber das Verhältnis zwischen ihm und Powell schien zunehmend schwieriger. Am 6. November 1997 standen die beiden zum bislang letzten Mal gemeinsam auf einer Bühne. Derzeit sieht es nicht so aus, als käme es beim Konzert zum 40. Geburtstag am 16. Mai im Londoner Sheperd’s Bush Empire zu einer Reunion der Band mit ihren früheren Mitgliedern. Powell ist alles andere als glücklich über Martin Turners Tour-Aktivitäten unter dem Firmenschild Martin Turner’s Wishbone Ash: »Er war 15 Jahre aus der Band draußen, und er sagte, er wollte wieder spielen. Das geht für mich in Ordnung. Aber so wie es angepackt wurde, fand ich es nicht in Ordnung. Erst hieß es, es sollte Martin Turner’s Wishbone heißen, dann Martin Turner’s Wishbone Ash. Martin war ohne Zweifel eine kreative Schlüsselfigur, aber er ist gegangen und hat andere Sachen gemacht. Und jetzt schafft er Verwirrung auf dem Markt. Die Art und Weise, wie es promoted wird, ist nicht in Ordnung«. Vor allem, wenn bei der Werbung für Konzerte von Martin Turners Band des Name des Bassisten weggelassen wurde. Man merkt Powell im Gespräch an, das er as Thema nicht vertiefen will. Für dicke Luft sorgt derweil in der britischen Presse Martin Turner, der ruft Andy herzlich ein öffentliches »Fuck off« zuruft (siehe Interview).

Wishbone Ash wird unterdessen auch nach dem 40 Jahre-Jubiläum neue, spannende Musik produzieren, wie auf dem 2007 er Album The Power Of Eternity, auf dem die Band streckenweise klingt, als wollte sie nicht gleich erkannt werden. »Man darf nicht vergessen; Es muss immer zuerst einmal uns selbst gefallen. Ich kann nicht rausgehen und ein Album machen nach dem Prinzip: Was hatten wird da für Zutaten, und welche waren es da? So läuft es nicht. Eher hat es etwas damit zu tun, was man in letzter Zeit gehört hat, welche Einflüsse und persönlichen Gefühle man verarbeitet«, erklärt Powell seine Arbeitsweise. Für die es einen kompetenten Gitarrenpartner braucht. Derzeit bedient schon der zweite Finne nacheinander die zweite Gitarre. Muddy Manninen hat ebenso wie sein Vorgänger Ben Granfelt bei Gringos Locos gespielt – und erfüllt Powells Qualitätstest für ebenbürtige Gitarristen: »Er muss Soul haben. Ich kann keine reinen Techniker gebrauchen, wobei ich die technische Seite schon schätze. Ich nenne es einen Roots Player. Jemand, der seine Inspiration aus den gleichen Wurzeln bezieht wie ich – siebziger Jahre Wurzeln eben. Er sollte verschiedene Stilistiken draufhaben und natürlich auch unsere Musik kennen. Manchmal ist es bei Auditions schon deprimierend. Man hört Gitarristen, die versuchen wie Jeff Beck zu klingen, und im nächsten Moment wie jemand ganz anderes. Also: Wir brauchen jemanden mit eigenem Sound, eigenem Feeling, aber Sympathie für Wishbone Ash«. Denn Wishbone Ash ist eben keine bestimmte Bandbesetzung, sondern eine musikalische Schwingung. Die klingt, solange Gitarren Flügel haben.

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Zu der Geschichte erschien quasi als „Zweitmeinung“ ein Interview mit  der „Gegenseite“, Martin Turner.

Reunion trotz Streit möglich?

Martin Turner hat mit seiner Interpretation von Wishbone Ash (Martin Turner’s Wishbone Ash) im vergangenen Jahr den Klassiker Argus im Studio neu eingespielt. Im Mai tourt MTWA mit der kompletten Argus-Wiederaufführung und anderen Klassikern der MK I und MK II Besetzung auch in Deutschland.

Warum hast Du Argus noch einmal im Studio eingespielt?

Das Album war ja nie komplett aufgeführt worden, und ich wollte das schon immer machen. Mein Manager hat ein Studio in seinem Haus, dort haben wir geprobt. Er hat vorgeschlagen, wir könnten es ja auch aufnehmen. Das haben wir gemacht, ich habe es mir angehört, und es hat steril geklungen, dann sind wir noch einmal in mein Studio gegangen, das vollgestopft mit Röhrenverstärkern und Equipment aus den 60er und 70er Jahren ist….

Es entsteht eine Art Konkurrenz – Andy hat Argus auch noch mal eingespielt, und nun gibt es Streit um eine Beteiligung der Originalmitglieder am 40jährigen Bandjubiläum. Du hast Andy via Presse ausgerichtet: „Fuck Off“

Ich war sehr wütend, als ich das sagte. Ende 2007 kriegte mein Manager ein sehr gutes Angebot von einem angesehenen Promoter, die Originalbesetzung zum Jubiläum zusammenzubringen. Für eine großes Konzert in London un eine Tour durch die wichtigsten Städte. Ich kontaktierte Steve, der war dafür, Ted Turner auch, und Laurie Wisefield sagte, er würde auch mitmachen, wenn er Zeit hätte. Dann sind wir an Andy Powell herangetreten, und wir haben praktisch ein ganzes Jahr versucht ihn zum Mitmachen zu bewegen. Er würgte es ab. Ich denke, weil er das Gefühl hatte, es wäre eine Nummer zu groß, vielleicht glaubte er, die Promoter könnten Geld verlieren. Das glaube ich wiederum nicht. Andys Haltung war: Warum wartet ihr nicht einfach? Ich werde euch sagen, wann es Zeit für eine Reunion ist. Das ist Andy Powell, wie er versucht, alles unter Kontrolle zu halten, was Wishbone Ash betrifft. Und er wollte, dass wir zusammen Argus komplett aufführen. Dann würde seine Band die Bühne übernehmen, nachdem wir fertig wären. Das heißt: Er will die Originalband zu seiner Support-Band machen. Nein, und nochmals nein! Das ist erniedrigend, das ist eine Beleidigung

Für manche Fans klingt dieser Streit kindisch…

Vielleicht klingt es kindisch. Unsere Beziehungen mit Mr. Powell in den vergangenen Jahren waren extrem frustrierend, und das, nachdem ich in den 80ern und 90ern immer wieder mit ihm gearbeitet habe. Gut, er war der, der auf Tour ging und sich Wishbone Ash nannte. Dem haben wir nie zugestimmt, alle Mitglieder der ursprünglichen Band sind darüber sehr unglücklich. Andy hat den Namen der Band gekapert, und er hat den Status der Band auf den einer Pub-Rock Band reduziert, und das ist die Band jetzt; Spielt vor ein paar hundert Leuten in Clubs. Für eine Band, die in den 70ern sehr erfolgreich war, ist das kein befriedigender Zustand. Aber ich habe mit ihm zusammen gearbeitet, Alben und Remasters, Compilations herausgebracht, zeitlich mit seinen jeweiligen Touren abgestimmt. Und dann schickt er mir per Anwalt Briefe, in denen ich aufgefordert werde, meine Website zu schließen.

Könnte es – alternativ – passieren, dass Du, Steve und Ted plus ohne Andy Powell eine Reunion planen?

Vielleicht. Vielleicht! Das ist eine merkwürdige Situation. Nun sind wir alle am Leben und ziemlich gesund und wir finden, wenn es eine Reunion gibt, sollte es die Originalband sein, und vielleicht noch Laurie Wisefield dazu. Wir versuchen weiter, Andy Powell zum Mitmachen zu bewegen. Wenn er mich in den vergangen Jahren gebraucht hat, wurde ich immer bezahlt wie ein Mietmusiker. Das ist nicht der Respekt, den ich verdiene. Aber bei dem Angebot, das uns vorliegt, wären wir alle gleichberechtigt.