Eingestellt am 19,7.2025

„Normal is not something to aspire to, it’s something to get away from.” Normal ist nicht etwas, was man anstreben sollte, sondern etwas, von dem man möglichst Abstand nehmen sollte. Soll Jodie Foster gesagt haben. Man könnte fast annehmen, sie hätte die Wahlplakate der „AfD“ gekannt, auf denen vor einiger Zeit stand: „Deutschland – aber normal“. Und sie sagen gerne diesen Satz: „Wenn der Faschismus wieder kommt, wird er nicht sagen: ich bin der Faschismus, sondern er wird sagen: ich bin der Antifaschismus.“ Was ist das? Täter-Opfer Umkehr in a nutshell. Auch, weil er diese absurde Verkehrung der Tatsachen letztlich Demokraten als Faschisten brandmarkt. Denn die Grundlage jeder Demokratie, insbesondere der deutschen, kann nur der konsequente Antifaschismus sein. Sonst hat sie keinerlei Legitimation. Das wussten die Väter des Grundgesetzes.

Nein, der Satz muss anders heissen: „Wenn der Faschismus wieder kommt, wird er nicht sagen, ich bin der Fachismus. Nein, er wird sagen: Hallo, ich bin normal“. Der ganz aktuelle Faschismus sagt auch gerne mal: „Alles für Deutschland“. Oder für Menschen, die sich lieber mit Grunzlauten verständigen „Döp. Döp. Döp“.

Der aktuelle Faschismus nennt die liberale Demokratie der Bundesrepublik DDR 2.0. Er nennt die unabhängigen öffentlich-rechtlichen Medien Staatsfunk und träumt dabei selbst von der Wiederbelebung des Volksempfängers. Er glaubt Parallelen zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der mörderischen DDR-Juristin Hilde Benjamin oder wahlweise Roland Freislers NS-Volksgerichtshof zu erkennen und träumt dabei selbst von der Abschaffung einer unabhängigen Justiz. Er heuchelt nachmittags Solidarität mit Israel und geht abends ins Theater, um die antisemitischen Auswürfe drittklassigen Kabarettistinnen zu bejubeln, wenn er nicht gerade im Netz über die Weltverschwörung des George Soros „recherchiert“ oder über 12 Jahre „Vogelschiss“ in der ansonsten selbstredend unbefleckten deutschen Geschichte bramabassiert.
Der neue Faschismus zitiert George Orwells „1984“ als Kronzeugen für seine kruden Theorien– dabei sehen seine Anhänger, die „Normalen“ Mitläufer der kommenden Diktatur, Orwells Dystopie nicht als Warnung, sondern als Handlungsanweisung. Er schämt sich dabei nicht einmal, für seine Propaganda Zitate von Brecht, Tucholsky oder Hannah Arendt zu benutzen.

Es ist erstaunlich. Früher gab es mal eine Zeit, da nannten sich Faschisten Faschisten und waren stolz darauf. Was ist geblieben? Der „Stolzmonat“ und die gebetsmühlenartige heruntergeleierte Selbstvergewisserung, sie seien doch Normalen. Es gab eine Zeit, da hätte man mit dem Finger auf sie gezeigt und sie einfach schallend weg gelacht. Wenn man sie überhaupt jenseits dumpfer Stammtische vorgefunden hätte. In jener Zeit war es gesellschaftlicher Konsens, zu wissen was Faschismus ist. Die Medien wussten das, die Vertreter demokratischer Parteien, die Schriftsteller, die Philosophen, jedes Schulkind, das im Geschichtsunterricht aufgepasst hatte.

Dabei spielte es keine Rolle, ob man sich selbst links, liberal oder gut bürgerlich-konservativ verortete. Aber das hat sich geändert. Das Gift ist auch in die vormals immun geglaubte bürgerliche Mitte eingedrungen. Denn irgendjemand aus den vorgenannten Berufsgruppen meinte plötzlich: oh, „Faschisten“ – das klingt aber zu hart, also dachte man sich den Euphemismus „Rechtspopulisten“ aus. Die Anhänger der so Verharmlosten wiederum nannten sich selbst „besorgte Bürger“. So lange, bis immer mehr bis dato gegen rechte Propaganda immune Bürger anfingen, deren eingebildete Sorgen ernstzunehmen und anfingen, diese Leute irgendwie auch dem Bürgertum zugehörig zu halten. Dadurch ermutigt, gingen die „besorgten Bürger“ ihrem Beruf und ihrer Berufung, nämlich Faschist sein, weitgehend unbehelligt auf den Straßen nach.

Sie brachten Politiker dazu, ohne Not Sätze wie diesen zu sagen: „Wir müssen die Sorgen und Nöte der Bürger ernst nehmen“. Was die damit aber meinten, war im Ergebnis oft: „Wir müssen unsere Politik nach den Wünschen der Faschisten ausrichten“. Damit fingen sie unmittelbar an, und die Politik in diesem Land richtete sich immer mehr nach den Wünschen des krakeelenden Pöbels, obwohl die von jenem bevorzugte Partei an keiner Regierung beteiligt war. Der Pöbel und seine Partei arbeiteten aber weiterhin, je mehr sie sich radikalisierten, je unverhohlener sie den Bürgerkrieg anstrebten, an ihrer Selbstverharmlosung. Begleitet vom einer grotesken Täter-Opfer-Umkehr und der Erfindung einer herbei fantasierten Cancel Culture von links und einer dadurch angeblich herbeigeführten Spaltung der Gesellschaft. Inzwischen ist immer mehr zu hören von den Befindlichkeiten „normaler Leute“. Und wer sollte schliesslich was gegen normale Leute haben? Schliesslich werden die Wortführer dieser „normalen Leute“ ja ständig in Talkshows der öffentlich-rechtlichen Medien eingeladen. Dann können sie ja keine Gefahr für die Demokratie sein, oder?

Da ist dann auch kaum jemand, der ihnen entschlossen entgegentritt und sagt: Nein, ihr seid keine „normalen Leute“. Nochmal zum Mitschreiben: Es gibt keine Spaltung der Gesellschaft. Es gibt die Gesellschaft, und es gibt die, die sich „normale Leute“ nennen, die auch gerne mal den „gesunden Menschenverstand“ wie einen gestreckten rechten Arm vor sich hertragen. Der wiederum ist ein Euphemismus für „gesundes Volksempfinden“. Das gesunde Volksempfinden trug in finstersten Zeiten Fackeln vor sich her und veranstaltete Pogrome, und täte es heute nur zu gerne wieder. Die Querdenker-Demonstrationen in der Corona-Zeit haben uns einen Vorgeschmack darauf gegeben, was passiert, wenn man es lässt. Im Netz zeige sie Fotos von Hochspannungsmasten mit der Bildunterschrift „Abenteuerspielplatz für Migranten“. „Verstösst nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards“, teilt der Betreiber des Netzwerks den Normalen mit und ermutigt sie zum Weitermachen, gern auch mit persönlich adressierten Morddrohungen. Man hat sie schon viel zu oft weitermachen lassen.

Und sie haben weiter gemacht. Sie haben Journalisten angegriffen, Tankstellenhelfer erschossen, einen CDU Landrat (dessen Partei dazu merkwürdig ruhig war) ermordet, Migranten hingerichtet. Sie hätten nur zu gern einen Minister beim Verlassen einer Fähre gelyncht, sie verschicken aktuell Morddrohungen an eine Jura-Professorin, die für das BVG nominiert ist. All dies angefeuert von den „alternative Medien“, die unentwegt für den Bürgerkrieg trommeln. Die Normalen lieben das. So sind sie. Wir sollten spätestens jetzt anfangen, sie als das wahrzunehmen,was sie sind: pervers und brandgefährlich.