Geschafft! „Viel Lärm um Alles“ ist da, im Arbeitszimmer stapeln sich 1000 Exemplare. Die ersten Rezensionsexemplare sind verschickt, die Buchhandlungen bestückt. Un dwas soll das alles? Hintendrauf steht Folgendes: Konzert verpasst? Kein Problem: Diese einzigartige Mediathek ist eine krasse neue Erfindung: Man kann sie in die Hand nehmen und Seiten umblättern! Sie braucht keinen Strom, handelt aber meistenteils von Stromgitarren und dem sonstigen Lärm drum herum. Von Bryan Adams bis ZZ Top ist alles drin. 105 Konzerte zum Nachlesen aus 20 Jahren – allesamt erschienen in den Badischen Neuesten Nachrichten. Lobhudeleien, Ratlosigkeit, ironische Distanz und Boshaftes finden sich in diesem höchst subjektiven Panoptikum der Dezibel-Ritterei. Nicht zu vergessen fachkundige Verbesserungsvorschläge der Leser.
Erhältlich ist das Buch derzeit in fogenden Buchhandlungen:
Karlsruhe – Stephanus Buchhandlung
Waldbronn – LiteraDur
Ettlingen – Abraxas Buchhandlung
ausserdem in der Geschäftsstelle der Badischen Neuesten Nachrichten, Lammstarße 1-5, Karlsruhe
Ein Auszug aus dem Vorwort
„Die kritische Berichterstattung im Musikbereich verschwindet allgemein“. Hat Andreas Borcholte, Musikkritiker bei Spiegel Online, gesagt. Recht hat er.
Was man stattdessen liest, sind durchweg beste Schulnoten in den CD-Rezensionen der meisten Musikmagazine, kritiklose Nacherzählungen von Konzerten in den Tageszeitungen – im schlimmsten Fall auch noch im hilflosen Stil von Schüleraufsätzen oder noch schlimmer: die Wiedergabe eines Plattenfirmen-Infos, ins Präteritum gesetzt. Mit dem, was Rezensenten leisten können und sollen, hat all das wenig zu tun. Zugegeben, es ist der Weg des geringsten Widerstandes. Man muss sich keine Meinung leisten, denn dann müsste man sie auch begründen können. Und hier genau setzt die Arbeit an: Wer kritisch über Musik schreibt, steht zunächst vor der Frage: Für wen schreibe ich? Sicher nicht in erster Linie für den Fan – denn der will sich nur in seiner Heldenverehrung bestätigt sehen, am besten noch mit sich selbst in der Hauptrolle. Der liest gerne Sätze wie diesen: „Die begeisterten Fans dankten Fritz Nopp und seiner Kapelle mit langanhaltendem Applaus.“
Sollte der Rezensent selbst Fanboy oder Fangirl sein, ist ebenso höchste Vorsicht geboten. Nichts ist schwerer, als eine überschäumende Lobhudelei als begründete Kritik erscheinen zu lassen. Superlative allein genügen kaum, um dem Leser zu erklären, warum der Schreiber jetzt gerade vor Begeisterung tropft. Keinesfalls sollte man sich aber auch hinreißen lassen, für die Verächter und Hasser eines Künstlers zu schreiben – also einen vorsätzlichem Verriss zu planen. Ein Fan von Tocotronic wird kaum etwas anderes als Schmähkritik zustande bringen, wenn ihn sein Redakteur ins Pur-Konzert abkommandiert.
Im besten Fall vermittelt der Rezensent dem Konzertbesucher das Gefühl, das Erlebte noch einmal zu erleben – und dabei seine Eindrücke so zu vermitteln, dass der Leser ausrufen möge: „Jawoll!! Genau so!“, „Ach was? Das habe ich aber anders gehört?“ oder: „So kann man es auch sehen!“ Erlaubt ist auch: „Welch ein arrogantes Arschloch. Aber schreiben kann es.“ Sachkenntnis ist also gefragt. Das muss der Leser spüren, auch wenn ihm der Sinn nach Widerspruch steht. Klar ist es erlaubt, musikalische Hervorbringungen darüber hinaus historisch und stilistisch einzuordnen, zu wägen und im Hirn zu ventilieren, um dann von der höheren Warte herab zu dozieren, worum es sich nach neuesten Erkenntnissen der gängigen „Popdiskurse“ gerade gehandelt haben könnte. Ich habe immer eine große Bewunderung für Kollegen in meinem Herzen getragen, die zu derlei imstande sind (so ich denn überhaupt ein Wort verstanden habe), aber mein Ansatz war schon immer ein anderer.
Seit ich vor Jahrzehnten in Jack Kerouacs Roman „On The Road“ eine kurze Szene verschlungen hatte, in der die Helden Sal Paradise und Dean Moriarty in einer versifften Bar einem Jazzpianisten zuhören, war mir klar: So, und nur so sollte man…. nein: ich, über Musik schreiben. Denn da kroch einem beim Lesen der Qualm der Spelunke in die Nase, da hatte man das Gefühl, durch Lachen verschütteten Biers zur waten, da hörte man die Gespräche der dort zum Erliegen gekommenen Gäste. Und vielleicht hing man mit einem Ohr gar direkt in den Saiten des Klaviers. Die Devise also lautete fürderhin: Benimm dich wie das sprichwörtliche Kind im Dreck, das gerade ein neues Spielzeug entdeckt hat. Probiere aus, was es mit dir anstellt. Lass dich von der Musik zu unvernünftigem Verhalten verführen. Trinke, rauche. Spiele Luftgitarre. Schreibe Zettel um Zettel voll, die du am nächsten Morgen nicht mehr lesen kannst. Packe den Trip bei den Hörnern und haue ihn aufs Papier. Und sollte sich herausstellen, dass es ein Horrortrip war, leugne nichts. Spreize dich nicht allzu intellektuell, aber freue dich diebisch, wenn freundlich gesonnene Leser meinen: „Du schreibst so intellektuell“. Sei vorurteilslos. Entdecke Neues, aber gib auch zu, wenn du nichts kapiert hast. Naja, zumindest auf Nachfrage. Und vor allem: meide die Parallelwelten von Geschmacks-Stalinisten, sprich: halte dich fern von allem, was mit „Diskurs“ etikettiert ist.
Der Leser wird es dir danken mit interessanten Hinweisen zur Selbsterkenntnis – wie zum Beispiel diesem: „Entweder Sie sind ein alter, vertrockneter Mann um die 45 Jahre und haben ein beschissenes Leben, oder Sie sind neidisch, weil Sie vielleicht weniger erfolgreich sind…. Was halten Sie eigentlich von sich?“
Das vorliegende Sammelsurium aus fast 20 Jahren enthält Texte, die so ähnlich zu 99 Prozent im Feuilleton der Badischen Neuesten Nachrichten erschienen sind. „So ähnlich“ heißt, dass den hier veröffentlichten Texten die ursprüngliche Manuskriptfassung zu Grunde liegt, die vor Abschluss vorsichtig überarbeitet wurde. Dabei wurde selbstredend keine Lobhudelei zum Verriss umgebogen, es wurden lediglich allzu oft auftauchende sprachliche Manierismen wie „selbstredend“ getilgt und durch andere ersetzt.