Die Wüste lebt immer noch
Tito & Tarantula, Fabrik, Bruchsal, 14.7.2010
Vierzehn Jahre ist es her, als Tito & Tarantula in Quentin Tarantinos Film „From Dusk To Dawn“ ihren Auftritt hatten. Der Song hieß „After Dark“ und blieb ihr einziger wirklicher Hit bis heute. So falsch es wäre, die Band auf diesen einen Song zu reduzieren, so richtig ist die Aussage: Der Song hat alles, was das Tito & Tarantula Universum in seiner Gesamtheit ausmacht: Es knarrt, es ächzt, man spürt die Hitze der Nacht irgendwo zwischen Texas und Mexico und halluziniert verrostete Zapfsäulen zwischen verdorrten Kakteen. Ein wildgewordener Gitarrist versucht jaulend, seine Seele ins Griffbrett zu stülpen, und Tito Larriva singt oben drüber mit einer Stimme, die nach intensiv zerlebtem Leben klingt.
In Bruchsal lassen sie ihre Fans lange, lange warten, aber keiner der rund 300 nimmt es ihnen an diesem Mittwochabend in dieser verschwitzen Sauna namens Fabrik übel. Kaum stehen sie auf der Bühne, ist die Begeisterung mit Händen zu greifen. Was ist die Faszination dieser kleinen rockenden und rumpelnden Band, die doch in allen ihren knappen Songs mehr oder weniger das immer Gleiche zelebriert? Was macht den Charme der Wiederholung nicht einmal besonders origineller Riffs und Rhythmus-Grundierungen so spannend? Warum packt einen nicht jeder, der mit einer Un-Stimme wie dieser Herr da singt, dermaßen an den Herzbeutel, obwohl er oft so klingt als wolle er einzig und allein sagen: „mir ist schlecht, ich muss brechen“? Die Antwort ist einfach: Es ist die Leidenschaft. Ob echt oder gespielt – egal
Der Band kommt zu Gute, dass die Album-Vorlagen ihrer Songs genauso roh und unfertig wirken, wie das was auf der Bühne geschieht: Grobe Skizzen, mal kompakt mit harten Riffs auf den Punkt gebracht, mal ausufernd ausgespielt. Obwohl die Grundfarbe grau die Gitarrenriffs dominiert, gibt es auch Farbe durch überraschende Wendungen: „Machete“ etwa, spanisch gesungen, lebt von der wunderbaren Twang-Gitarre von Steven Medina Hufstetter und seinen Rhythmuswechseln. Knisternde Spannung mit einfachsten Mitteln.: Einiges vom 2008er Album „Back in to the Darkness“ findet den Weg auf die Bühne, alles dramaturgisch sehr spannend angeordnet. Nichts davon miss sich neben dem älteren Material verstecken, im Gegenteil. Schließlich wird dies alles aus der gleichen brodelnden Ursuppe gelöffelt. Da stehen schleppende Schlangenbeschwörungen („Flor de mal“) neben zackigen ZZ-Top Affinitäten („Motorcycle Girl“), da paart sich hardrockig-knappes mit bluesig-ausuferndem. Und wer dann auch noch ein Ohr hat für das, was Larriva da ins Mikrofon ächzt, der wird feststellen, dass die meisten dieser Songs selbst kleine Roadmovies sind, die schmutzige, traurige oder auch einfach mal lebensechte Geschichten erzählen „We been here at the hate hotel, we’re livin’ together, we live in hell. One day It’s gotta stop or we’ll kill each other” quengelt er in “Monster”, dazu gibt es einen ganz einfachen Viervierteltakt im mittleren Tempo, sparsam arrangiert. Herrlich schepperiger die Gitarren nie klangen als in diesen gerade mal knapp drei Minuten. Da braucht es keine Worte. Verbale Kommunikation mit dem Publikum pflegt Herr Tito eh wenig. Das darf aber dann bei „After Dark“ sogar auf der Bühne mitwirken, was den Song dann noch intensiver erscheinen lässt. Minuten später ist die Tito-Variante permanenter mexikanischer Revolution angesagt: „La Cucaracha“ lässt die verschwitzte Meute tanzen. Das Spiel geht in die Verlängerung.