Mit der Zeitmaschine zu Franz von Suppé

Erstmals erschienen im ROCKS Magazin 2013 / Fotos: Archiv Martin Griffiths

 Die schottische Band Beggars Opera begann als Klassik-Interpreten im Stil von The Nice (allerdings mit einer zupackenden E-Gitarre) und entwickelten sich zu Progressiv-Rockern, die Songs mit Hitpotenzial schreiben konnten. Ihren Namen hatten sie John Gays satirischem Singspiel „The Beggars Opera“ von 1727 entlehnt. Ihre ersten drei – die entscheidenden – Alben, zwischen 1970 und 1972 veröffentlicht, wurden zudem von Martin Griffiths‘ ungewöhnlicher Stimme geprägt.

„Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte ich es nicht geglaubt“ schreibt der Reporter Iain Macdonald am 27. März 1970 im Glasgower „Evening Citizen“. Er beschreibt, was sich vor dem Pub Burns Howff im Herzen Glasgows abspielt: Vorm Eingang bildet sich eine Schlange von mehreren hundert Menschen. Wirt John Waterson erzählt ihm: »So geht das schon seit Wochen. Letzte Woche hab ich hundert Stammgäste wegschicken müssen«. Der Grund ist die Band Beggars Opera. Ihren Stil beschreibt der Journalist als „poperatic“: »Sie mischen Pop mit Oper und spielen ihre eigenen komplexen Arrangements«. Und der Pubwirt ist überzeugt: »Sie müssen ganz groß rauskommen, es ist einfach unvermeidlich«.

Bevor die Musiker zum ersten Mal im Burns Howff spielen, sind sie durch die harte Schule gegangen: Martin Griffith – der einzige Nicht-Schotte der Band – geboren im nordenglischen Newcastle, kommt mit 13 nach Glagow, weil sein Vater hier einen Job bekommt. Der Sohn fühlt sich einsam, dann entdeckt er die Musik. Nachdem er Band wie The Beatstalkers und The Pathfinders gesehen hat, weiß er, dass er Sänger werden will. An der Eastwood Secondary School findet er Gleichgesinnte: den Gitarristen Ricky Gardiner und dem Bassisten Marshall Erskine. Sie gründen die Schülerband The System. Die tritt zum ersten Mal im Schaufenster eines Geschäfts in der Union Street auf. »Wir haben dann viel in Glasgow und Umgebung gespielt, vor allem Tamla Motown. Ohne das kam man nicht in die Clubs«. Ein Höhepunkt der jungen Bandkarriere ist ein Auftritt im August 1966 an der Autorennstercke in Ingliston in der Nähe des Flughafens von Edinburgh. Dort hört sie kaum jemand, weil Jackie Stewarts Rennwagen einen solchen Krach macht.

Im gleichen Jahr zieht Martin mit seiner Familie wieder in den Süden, er beginnt eine Ausbildung bei Harrods in London. Er arbeitet in der Piano-Abteilung, dort kommt öfter ein junger Kerl namens Reginald Kenneth Dwight vorbei, um Klaviere zu testen. Später wird er sich Elton John nennen. Es ist mittlerweile 1969. Marshall und Ricky wollen es nochmal mit Martin als „richtige Band“ versuchen. Sie arbeiten auf der Baustelle an der M 20, wohnen in einem Bauwagen und sparen für Equipment. »Wir hatten das ganze hart verdiente Geld in einem Echogerät versteckt. Da war dieser Typ, der wusste natürlich, wo es war, und er ist damit abgehauen. Als er zurückkam, wurde er unser Roadie. Der musste das wieder abarbeiten. Wir haben schließlich von Rickys Onkel 1000 Pfund geliehen bekommen, davon haben wir uns die ersten weissen Marshalls gekauft. Mit 200 Watt! Wahnsinn. Zuerst musste ich auch darüber singen. Das hat wohl meine Stimmbänder stark gemacht«.

Zurück in Glasgow fehlen noch ein Schlagzeuger und ein Organist. Marshall Erskine kennt den Organisten Allan Park, der mit einer Tanzkapelle spielt. Ihren Drummer wird Ray Wilson: Ein wilder Mann mit langem Bart, der in der Regel Hut und Schottenrock trägt, sonst nichts. »Ray hat auf der Werft am Clyde gearbeitet, ist ganz früh aufgestanden und war bis vier Uhr morgens unterwegs mit der Band. Ich weiss nicht, wie er das geschafft hat«, erinnert sich der Sänger. Alan Park, der neue – klassisch geschulte – Organist, bringt die stilprägenden Ideen in die Band. Er ist ein ruhiger Typ, der kleine Soldaten aus napoleonischer Zeit zu zeichnen, wenn sonst nichts zu tun ist. Park ist keiner, der die Orgel mit dem Messer bearbeitet wie Keith Emerson. Aber auch er erzeugt gerne mal Explosionsen à la Jon Lord, indem er die Orgel ein wenig gewalttätig auf der Bühne herumrückt. Martin Griffith selbst war immer ein großer Fan von Frank Sinatra, »seiner Art zu singen, seiner Art, die Luft anzuhalten. Melodien waren wichtig für mich, wir waren auch alle große Beatles-Fans, und wir waren weder vom Blues noch vom Folk beeinflusst. Unser Stil kam zusammen mit dem Namen Beggars Opera. Ich hab‘ den aus einem Kreuzworträtsel heraus gefischt«.

Der Stil der Band passt zum Namen: Lange Instrumentalteile, darunter Ausarbeitungen von Themen des österreichischen Operettenkomponisten Franz von Suppé, die später den Weg von der Bühne auf das erste Album der Band finden. Für den Sänger ist es schwer, eine Schneise in all die ausufernden Instrumentalparts zu schlagen. »Ich habe gedacht: Prima, aber was mache ich da eigentlich? Ich wollte nicht von der Bühne gehen wie andere Sänger. Also habe ich meinen Act entwickelt. Ich hab‘ beschlossen: Ich dirigiere! Ziemlich anstrengend«. Der Kritiker einer deutschen Lokalzeitung schreibt später etwas unbeholfen von den „rhythmischen Bewegungen des wie von unsichtbaren Fäden hin- und hergerissenen Sängers“, die zu einer „selten erlebten Aktivität der Zuhörer“ geführt hätten.

Es ist Herbst 1969, die Band ist mittlerweile im Burns Howff in Glasgow angekommen, und löst dort Stone The Crows als eine Art Hausband ab. »Maggie Bell war ein richtiger Feger. Wir haben in dem kleinen Club mal zusammen gesungen, und sie sagte: Du bist mein Lieblingssänger« erinnert sich Griffiths. Noch spielen sie neben den eigenen Werken Covers von Jethro Tull, Led Zeppelin, Fleetwood Mac.

Jetzt treten Phil Coulter und Bill Martin auf den Plan. Sie haben unter anderen ›Puppet On A String‹ gecshrieben , mit dem Sandie Shaw 1967 den Grand Prix gewonnen hat. Durch das Hitschreiber-Duo bekommen Beggars Opera einen Plattenvertrag mit Vertigo, dem neuen Label für progressive Musik. Im Sommer 1970 bucht das Label zwei Studiotage im De Lane Lea Studio. Offiziell ist Phil Coulter der Produzent, aber entscheidend ist der Mann am Mischpult: Martin Birch – der zu jener Zeit auch für den Deep Purple Sound verantwortlich ist. »Er war nicht der Produzent, aber er wusste genau, was er wollte. Wir hatten großen Respekt vor ihm. Ich weiß nicht, ob er auch Respekt vor uns hatte. Jedenfalls waren wir auf der selben Wellenlänge«.

Die Band spielt fast alles live ein, während Griffiths beim Aufnehmen der Basic Tracks das tut, was er auch auf der Bühne tut: Er dirigiert. »Ich war das Metronom. Wir haben da unsere ganzen Emotionen, unser Herz reingehängt. Wir waren natürlich aufgeregt und haben wohl ein bisschen schneller gespielt«. Danach wird der Gesang aufgenommen, am zweiten Tag wird gemischt, aber »wir haben damals nicht gedacht, es wäre zu wenig Zeit. Wir waren aber nicht ganz zufrieden mit der fertigen Produktion, aber sie hat eine gewisse Spontanität«.

Mit ›Light Cavalry‹ und ›Poet and Peasant‹ sind zwei Suppé-Adaptionen vertreten, ›Passacaglia‹ zeigt die härtere Seite der Band mit treibenden Riff und einem ausgefransten Gitarrensolo, und das ›Raymonds Road‹ ist ein Ritt über mehrere populäre Themen von Mozart, Bach und Grieg, der in eine ähnliche Kerbe haut wie zeitgenössische Deep-Purple-Live Interpretationen ihres Instrumentals ›Mandrake Root‹. Das Album Act One macht die Band ausserhalb von Schottland bekannt, und als sie am 28. April 1971 für einen Auftritt in der Diskothek Blow Up in Luxemburg erstmals auf dem Kontinent ankommen, gibt es eine Stunde nach dem Konzert gar noch eine Spontan-Session mit den Radio Luxemburg Djs über Ray Charles „What I’d Say“. »Die waren ja nicht wegen uns gekommen, aber sie waren da und haben mitgesungen. Das war eine richtige Gaudi. Damals war Radio Luxemburg richtig groß. Dann hieß es: Kommt morgen zum Sender und wir quatschen ein bisschen und spielen was von der Platte. Wir dachten, die spielen ein oder zwei Lieder. Aber die haben das ganze Album gespielt, und meine Freundin in Glasgow hat das gehört. Die dachte sich: Was ist denn hier los?«

Bassist Marshall Erskine geht wegen musikalischer Differenzen mit Drummer Ray Wilson – und wird durch Gordon Sellar ersetzt. Im Mai 1971 steigt Ricky Gardiners Freundin Virginia Scott ein, – die eine neue Klangfarbe und neue Ideen mitbringt. Die Band hat den Moody Blues ein Mellotron abgekauft, Virginia bringt es zur Blüte. Der Sound wird wärmer, melodiöser, auch massenkompatibler. Aber plötzlich eine Frau in einer eingeschworenen „Boygroup“ zu haben, sei nicht einfach gewesen, meint Martin Griffiths rückblickend.

Zur Vorbereitung des zweiten Albums Waters Of Change mietet die Band eine Scheune einer Farm in Fraserburgh nördlich von Aberdeen. Sie leben sechs Wochen zusammen, kochen gemeinsam, während sich die Musik wegentwickelt von den Klassik-Klängen. Hinterher erst stellen sie fest, dass sowohl die Vorfahren von Elvis Presley als auch von Edvard Grieg aus der näheren Umgebung stammten. Irgendwo zwischendrin bewegt sich die Beggars Opera Musik, bei der der Sänger jetzt mehr zu tun bekommt. »Ich hab‘ nie gesagt, ich bin unzufrieden mit meiner Rolle, das war eine natürliche Entwicklung« . In Fraserburgh entsteht auch das achtminütige ›Time Machine‹. »Wir haben vielleicht im Hinterkopf gedacht: Das könnte eine Single sein, aber es war eigentlich zu lang. Wenn wir live gespielt haben, war es immer der Renner«. Besonders in Deutschland wird der melancholische Song zum Radio-Dauerbrenner, bis heute. In der SWR1 Hörerhitparade schaffte er 2012 immerhin auf Platz 400 von 2000.

Am 9. August 1971 lädt Radio Bremen die Band für eine Beat Club Aufzeichnung ein. Die jungen Männer können gar nicht glauben, was sie am Flughafen sehen: »Alle Taxis waren Mercedes Benz. In Glasgow war es was ganz besonderes, wenn jemand einen Mercedes fuhr«. Der Beat Club filmt eine inspirierte Fassung des Instrumentals ›Raymonds Road‹ und natürlich ›Time Machine‹. Der Auftritt verhilft dem Album zum Hit Status in Deutschland.

Am 4. September 1971 treten Beggars Opera beim First British Rock Meeting in Speyer auf. 60.000 Besucher schätzt Martin Griffiths, andere Quellen nennen bis zu 112.000. Dabei sind unter anderen Rod Stewart, Deep Purple und Rory Gallagher: »Da gab es keine Organisation, kein Essen, keine Toiletten. Als wir hinkamen, sah ich zwei nackte Frauen tanzen und dachte was ist denn das? Es war alles so locker und schön. Wir waren zwischen Black Sabbath und Fleetwood Mac reingequetscht worden, es wurde gerade dunkel, und wir spielten ›Time Machine‹. Wir haben Black Sabbath…. naja, ich würde nicht sagen an die Wand gespielt. Aber wir kamen viel besser an«.

Am darauffolgenden Tag zeiht der Festivaltross weiter nach Wien: »Als wir in der Halle waren, sagte man uns: Beggars Opera spielen nicht heute Abend, bitte geht zum Black Sabbath Management. Das taten wir. In meiner Erinnerung – das klingt jetzt dramatisch – lag da eine Pistole auf dem Tisch. Ich bin dann hinter die Bühne gegangen, als Rory Gallagher aufgetreten ist. Ich war so geladen, so wütend. Ich saß hinter seinem Vox AC 30, und er hat mich erlöst, als er gespielt hat. Ich ging ganz in seiner Musik auf, das hat meine Wut abgebaut«.

Fürs dritte Abum Pathfinder wird Beggars Opera wieder zur Boygroup, Virginia Scott ist aber weiterhin an einigen Kompositionen beteiligt. Das Album strahlt in mitsingbaren Nummern wie ›Hobo‹ eine bisher nicht gekannte Leichtigkeit aus, ›The Witch‹ dagegen ist für Beggars Opera Verhältnisse geradezu heavy und in ›From Shark To Haggis‹ demonstrieren die Schotten auch musikalisch, dass die Schotten sind. »Ricky hat sowieso bei jeder Gelegenheit die schottische Nationalhymne gespielt «, lacht Griffiths. Die Überraschung ist das Cover: ›MacArthur Park‹ von Jim Webb, mit dem der Schauspieler Richard Harris 1968 einen Hit gelandet hatte. Ein üppiges Arrangement, inklusive Cembalo (!) und feierliche Gesangslinien, wie massgeschneidert für den Sänger, der Frank Sinatra liebt. »Das hatte ich immer wieder vorgeschlagen und es wurde immer abgelehnt. Jetzt hatte ich es durchgeboxt«.

Eigentlich könnte es jetzt richtig losgehen. Mitten in der Tour 1972 zieht sich Martin Griffiths einen Leistenbruch zu. Der Arzt rät zur Schonung. Der Sänger macht weiter, erbittet sich später aber eine Auszeit, die abgelehnt wird. »Da habe ich angefangen nachzudenken;: Martin, was willst Du überhaupt? Wir sind zusammengekommen als Freunde. Ich bin krank, und sie wollen es nicht wahrhaben. Sie wollten, dass ich es operieren lasse, und gleich danach wieder auf Tour gehe. Da habe ich die Band verlassen. Ich hatte meinen Glauben an dieses Ideal verloren, ich fühlte mich einfach verletzt durch diese Haltung. Wir waren nicht mehr die Schulbuben von damals«.

Beggars Opera macht nach 1972 ohne Martin Griffiths in verschiedenen Besetzungen weiter, aber die Musik wird zunehmend austauschbarer, der Erfolg schwindet. Das Album Get You Dog Off Me (1973) versucht mit einem Cover von Mason Williams‘ Classical Gasnoch einmal in die gleiche Kerbe zu hauen wie ›Mac Arthurs Park‹. Ausser handwerklichem Könne bleibt der Band nicht viel. Auch die folgenden Alben Sagittary (1974), Beggars Can’t Be Choosers (1979) und Lifeline (1980) leiden unter schwachen Songs und einem ziellosen Hin und Her zwischen Rock und Pop. Von den ursprünglichen musikalischen Wurzeln ist nichts mehr zu spüren. Bassist Gordon Sellar spielt ab 1979 bei der Alex Harvey Band, Alan Park wird musikalischer Direktor bei Cliff Richard. Ricky Gardiner arbeitet mit David Bowie und Iggy Pop, für den er den Hit ›The Passenger‹. Bis heute veröffentlicht er Musik mit seiner 1975 Angetrauten Virginia Scott Alben unter dem Namen Beggars Opera. Martin Griffiths lebt in Eppelheim bei Heidelberg und hat in den Siebzigern einen Job als Sänger bei Can abgelehnt. Neben seinen gelegentlichen musikalischen Aktivitten malt er und arbeitet als Schlossführer in Heidelberg, Mannheim und Schwetzingen. Er hat ein Musical unter Verwendung von musikalischen Motiven aus den frühen Beggars Opera Songs geschrieben und hofft, dass es im Sommer auf dem Heidelberger Schloss aufgeführt wird.

Beggars Opera – die drei Alben mit Martin Griffiths

Act One  Eine brisante Mischung von Adaptionen der „E-Musik“, wie man sie so noch nicht gehört hat: Hier st nichts akademisch-blasiertes zu hören, hier lässt eine motivierte Band die Muskeln spielen. Wenn man’s ganz plakativ will: The Nice mit zusätzlichen Extra-Eiern: Es paart sich – ausnahmsweise mit positiven Ergebnis – Zeitdruck beim Einspielen mit dem hörbaren Druck und der naiven Freude der Musiker, ihre angestaute Energie rauzulassen. Gleichberechtigter Furor von Ricky Gardiners Leadgittarre und Alan Parks Orgel paaren sich mit Martin Griffiths‘ feierlichem Organ.

Waters of Change Das erfolgreic.hste Album der Schotten, dank des hypnotischen achtminütigen ›Time Machine‹, das der Band vor allem viele deutsche Fans beschert. Der Zweitling ist musikalisch vielfältiger als Act One, verzichtet auf bildungsmusikalische Anleihen und erlaubt sich schöne Kontraste und melancholische Zwischenspiele wie ›Nimbus‹. Mit ›Festival‹ lässt das Quintett alle bemühte Ernsthaftigkeit fahren und macht einen Ausflug in folkloristische Gefilde. Das Finale des Albums, ›The Fox‹ ist Progressive Rock der ungewöhnlichen Art: Eine stimmungsvolle Wanderung durch musikalische Landschaften, die Programm-Musik einer wilden Fuchsjagd, komprimiert auf knappe sieben Minuten.

Pathfinder Das dritte Album treibt die Entwicklung Richtung Vielseitigkeit weiter, im Vordergrund aber stehen mehr griffige und eingängige Songs mit hohem Wiederekennungsfaktor. Das Klangbild ist deutlich transparenter geworden, solistische Glanzlistungen sind kurz, knapp und prägnant gehalten. From Shark To Haggis schafft miten im Somg eine Wende von finster dräuender Atmosphäre zu einem ausgelassenen schottischen Tanzfest. Strecher ist ein gefühliges Instrumental und Madame Doubtfire ein letztlich dann doch eher freundlicher als furchterregender Gruselschocker: Üppig arrangiert und in einer wilden Kakophonie endend..

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Diese Geschichte erschien im April 2013 in den Badischen Neuesten Nachrichten

Mit der Time Machine aufs Schloss

Der Heidelberger Schlossführer Martin Griffiths war einmal ein bekannter Rocksänger

Wer heute im Heidelberger oder im Schwetzinger Schloss eine Führung bucht, der könnte an einen sympathischen Engländer namens Martin Griffiths geraten, dem man die Liebe zu seinem Thema deutlich anhört. Martin Griffiths? Manchem Rockfan der Generation 50plus wird es dämmern: Vor über 40 Jahren war er Sänger und der einzige Engländer unter vier Schotten bei der Glasgower Band Beggars Opera. Sie begannen als Klassik-Interpreten im Stil von The Nice und entwickelten sich zu Progressiv-Rockern, die Songs mit Hitpotenzial schreiben konnten.

Insbesondere in Deutschland blieb ein Song im Gedächtnis der Menschen: Das acht Minuten lange „Time Machine“ von ihrem zweiten Album „Waters Of Change“. In der SWR1 Hörerhitparade schaffte der Song es 2012 immerhin auf Platz 400 von 2000. „Ich finde das toll, das die Leute sich daran erinnern“, freut sich der Sänger, der heute mit seiner Frau Jutta in Eppelheim lebt.

Mit „Time Machine“ verbindet Griffiths auch die Erinnerung an den wohl größten Auftritt der Band am 4. September 1971 beim First British Rock Meeting in Speyer. Mindestens 60.000 Besucher waren damals gekommen, um unter anderen Rod Stewart, Deep Purple und Rory Gallagher zu hören: „Es gab es keine Organisation, kein Essen, keine Toiletten. Als wir hinkamen, sah ich zwei nackte Frauen tanzen und dachte: was ist denn das? Es war alles so locker und schön. Es wurde gerade dunkel, als wir ‚Time Machine‘ spielten. Wir kamen viel besser an als Black Sabbath nach uns“.

1972 verläßt er die Band. „Ich hab’s vermisst, natürlich. Dann hab‘ ich Teebeutel verkauft, und Cabaret gemacht, mit Fliege und Samtanzug“. Als ein Freund im Allgäu 1973 eine Art Jugendherberge eröffnet, zieht er nach Deutschland „mit zwei Gitarren und einem Koffer“. Von Pop Shop-Moderator Hans Jürgen Kliebenstein erfährt er, dass Can einen Sänger suchen. Er fährt hin, aber „das war zu anders, was die machten“. Mitte der 70er Jahre tingelt er mit seiner Gitarre als „Vorgruppe“ für Osibisa, Brian Auger, Klaus Doldinger und diverse Krautrocker. In der Disco-Zeit nimmt er Platten für Ralf Siegel auf, unter anderem ein Cover von Otis Reddings „Dock Of The Bay“. „Otis würde sich im Grab umdrehen, wenn er das hören würde!“, lacht er.

Gelegentlich tritt er noch als Sänger auf, manchmal auch zusammen mit seinem Sohn Philipp, dessen Band Alias Eye auch eine neue Version von Time Machine eingespielt hat. „Mein Leben ist Musik und Kunst. Ich male auch – und mache eigentlich immer das, was ich kann. Ich hab‘ auch schon Englisch unterrichtet an der Volkshochschule“. Die Begeisterung für den Schwetzinger Schlosspark hat den heute 63jährigen vor einigen Jahren auf eine neue Idee gebracht: „Ich wollte immer wissen, wie das alles entstanden ist, die ganze Geschichte, dann habe ich einen Kurs gemacht – und mit den Führungen angefangen“.

Bei der Arbeit im Heidelberger Schloss entdeckte er die Liebesgeschichte zwischen Kurfürst Friedrich von der Pfalz und Elisabeth Stuart, der Tochter des englischen Königs James I. Bei dem Thema leuchten seine Augen: „Es war Liebe auf den ersten Blick. Okay, etwas Politik war auch dabei. Sie haben in London geheiratet und dann sechs wunderbare Jahre in Heidelberg verbracht, von 1613 bis 1619. Wenn ich den Leuten von dieser Liebesgeschichte erzähle, springen die sofort drauf an“.

Diese Geschichte weckte aber auch wieder den Musiker in ihm: „Ich hab mir gedacht:. Martin, das ust eine Geschichte, die man mit Musik erzählen muss. Mir gingen immer Beggars-Opera-Lieder im Kopf herum. Der ‚Silver Percock‘, der im Hortus Palatinus tanzt, und der Zwerg Perkeo steigt in die ‚Time Machine’….“. Inzischen ist ein Musical aus diesen Ideen geworden. Vom 9. bis 11. August sind Auszüge täglich von 19 bis 20 Uhr bei freiem Eintritt in der Stadthalle Heidelberg zu sehen.