Stromgitarren zu Strumpfhosen

Blackmores Night. Brahmssaal, Stadthalle Karlsruhe, 13.9.2008

Ein paar plastikverbrämte Monitorboxen, die wohl Felsbröckchen in mittelalterlicher Landschaft darstellen sollen und die um die Mikrophonständer gewickelten Fischreusen weisen den Weg ins ganz persönliche Auenland des Richie Blackmore und seiner Muse Candice Night. Die sparsame Bühnendekoration allerdings steht im Widerspruch zu der Opulenz dessen, was Herr Blackmore und seine Spielleute in den nun folgenden gut zweieinhalb Stunden anrichten werden. Auftritt Candice Night, die wirbelnde, wallende Hexe. Sie steht im Rampenlicht, niemand sonst. Sie singt, sie redet, auch für den Lebensgefährten. Der steht da, wie man ihn schon zu Deep Purple Zeiten kannte: schweigend. Die Gesichtsmimik symbolisiert: Obacht, ich bin ein mysteriöser Mann!“.

Die Musik von Blackmores Night ist nichts dergleichen. Man nehme „Under A Violet Moon“ in seiner beispielhaften fast schmerzhaften Eingängigkeit. Hätte er es denn geschrieben, hätte Mike Oldfield damit seiner Hit-Phase einen weiteren passenden Knaller hinzugefügt. Candice Night versucht, dem poppigen Leichtgewicht des Songs durch eine Art Ausdruckstanz Gewicht zu geben, ähnliches passiert durch schweres Rockgeorgel. Das den eh weit hinten im Mix liegenden Blackmore noch weiter nach hinten schiebt.

Der macht sich stattdessen in den eher leisen Stücken durch gefühliges Umspielen der Melodien, durch tändelnde Arpeggios und allerhand Kunststückchen auf der Akustischen Gitarre beliebt. Ja, das kann er. Doch, weh und ach: Das balladeske wird gar oft zugeschüttet vom unbändigen Keyboardbrummen. Dann packt man gleich zwei Perlen der Songschreiberkunst des vergangen Jahrhunderts zusammen: Ralph McTells unverwüstliches „Streets of London“ und Dylans „The Times they are a changin“. Abgesehen davon, dass es ein Sakrileg ist, solche Songs in einem Medley zu verwursten, bringt diese Interpretation nichts weiter als die Erkenntnis, dass Candice Night eine technisch hervorragende Sängerin ist, die jede Nuance beherrscht, die auch in schwierigen Tonlagen immer präsent ist. Und es trotzdem konsequent schafft, jedwedes Musikmaterial zu wohl tönender Hintergrundmusik zu machen.

Man stelle sich vor, Pablo Picasso hätte plötzlich angefangen, röhrende Hirsche vor kristallklaren Quellen zu malen. So etwa wirkt Blackmores Wandel – auch noch nach über 10 Jahren, denn mit Folk hat diese Als-Ob-Musik nur die Instrumentierung gemein. Das hörbare Bemühen um Abwechslung erschafft einen musikalischen Gemischtwarenladen, der Kosmopolitentum und die Suche nach Musikgeschichte vorgaukelt, in dem russische Kasatschok Stimmung, ein bisschen Balkanromantik, weitere zuckersüße Balladen und sogar über die Bühne laufendes lebendes Gemüse ihren Platz haben. Wenn dann alle aufstehen und brav auf die eins und die drei klatschen ist das Ziel erreicht. Nach Bierzeltstimmung mit viel n „falleri fallera“ und „knapsack on my back“ plus sämig aufgestrudeltem Deutschlandlied jetzt also ein paar Takte Rock. Aber vorsichtig. Mit „Ariel“ und seinen arabischen Anklängen gibt es den besten Song vom letzten „Rainbow“ Album. Der CD, nach der der Rockmusiker Blackmore aufhörte, zu existieren. Der Sound ist noch da, der „alte Blackmore“ ist selbst für Taube erkennbar. Netter Versuch, aber ein paar Minuten später ist die Stromgitarre wieder weg, und mancher alte Fan, der nur deswegen gekommen ist, harrt bis zum Schluss aus, um eine mediokre Version von „Smoke On The Water“ als Erlösung hingeworfen zu bekommen. Es reicht für rasende Begeisterung.