Now What?!
Ear Music / Edel / VÖ: 26.04.2013
Die jugendliche Frische des Alters. Part One
Das neunzehnnte Studiowerk ist schon jetzt ein Klassiker – und die Band war sich der Stärke des Songs offenbar bewusst: Seit Jahrzehnten gab es auf der Bühne nicht mehr so viele aktuelle Songs zu hören wie auf der Tour zum Album. Was sicher auch der Tatsache geschuldet ist, dass Produzent Bob Ezrin genau das eingefangen hat, was Deep Purple so stark macht: die schiere Improvisationswut und das einzigartige Zusammenspiel dieser noch immer hoch inspirierten Musiker.
Zweitens klingt Now What?! besser als jede Deep Purple Platte der vergangenen Jahrzehnte: da folgt der Klang der Intention der Musik: und die ist immer noch mächtig und kompakt. Die Grundierung liefern die in der Tat innovativen Riffs, die Gitarre und Hammond-Orgel zu einer dräüenden Erinheit formen, und die dennoch Swing und Transparenz haben. Man höre die den dampfende, Feuer und Lava spuckende Schweineorgel im Opener ›A Simple Song‹, man höre den erotisierenden Geoove von ›Bodyline‹, in dem Sänger Ian Gillan vorführt, wie cool die Stimme eines vermeintlich alten Sacks klingt, wenn er einfach mal ein paar Töne tiefer ansetzt. In solchen Momenten ist die Deep Purple (nicht zum ersten Mal) die beste Jazzcombo des Hardirock. ›Hell To Pay‹ glänzt durch einen unerwartet eingänmgigen Refrain und könnte genausogut irgendwann zwischen In Rock und Who Do We Think We Are entstanden sein, zu Beginn des Gitarrensolos macht Steve Morse gar für ein paar Takte den Blackmore. ›Blood From a Stine‹ zieht düstere Kulissen auf, Gillan grummelt finster vor musikalischer Wüstenlandschaft und von ferne weht eine Portion Doors-Flair. ›Above and Beyond‹ schließlich ist das progressiv-verschachtelte Tribute an Jon Lord, und mit ›All The Time In The World‹ könnte in einer besseren Welt, in der Radiosender noch Musik spielen, der erste Pop-Hit von Deep Purple werden. Auch wenn Roger Glover (siehe Interview) nichts davon wissen will: Nehmen wir einmal an, Now What?! wäre das letzte Studioalbum der Band, es wäre ein mehr als würdiges Vermächtnis.
10/10