Energie sparen? Nein danke!
Steve Lukather, Tollhaus Zeltival, Karlsruhe, 14.7.2008
„No Jazz“ ist das Motto der Tour, und als müssten sie es in fünf Minuten beweisen, fegen Steve Luikather und seine vier Rock-Athleten unvermittelt mit „Drive a Crooked Road“ los: Die Kraft der zwei Gitarren (dank Co-Gitarrist Ricky Z.) fräst eine akkurate Furche in den Solarplexus des Rezipienten. Dazu Lukathers Stimne, nicht immer ganz intonationssicher, aber mit umso mehr „Street Credibility“ ausgestattet, wie sie keiner der hauptamtlichen Toto-Sänger je hatte. Das Nackenhaar stellt sich vor Vorfreude auf das, was kommen mag, und es wird kommen.
Eine energische, fast zweieinhalbstündige Parforce-Tour durch solistisches Schaffen, eher obskures Toto Material plus einige Covers, gedacht als Verbeugung vor den Originalen. Und wer hätte gedacht, dass er je „unbekannte“ Toto Songs wie das hyperemotionale „Wings Of Time“ in einer so endgültigen Fassung zu hören bekäme? Die Hommage an die Tubes mit „Talk To You Later“? Pink Floyds „Shine On You Crazy Diamond“ in einer leicht hyperaktiven Variante?
Der erste Song, den Lukather von seinem aktuellen Album „Ever Changing Times“ spielt, ist der Titelsong, in den er alle Stärken seines Songwritings und seines Gitarrenspiels packt: bombastisch aber nicht überladen, melodiös aber nicht kitschig und hart aber nicht klischee-hardrockig. Die Bühnenversionen der neuen Stücke klingen durchgehend wesentlich zupackender als die Studiovorlagen, ohne dass ihre geschliffene Eleganz verloren geht. Allen voran das verspielte, nah an Steely Dan gebaute „Stab In The Back“ oder das schwer lastende, hartbluesige „Jammin’ With Jesus“. Die Band (neben den beiden Gitarristen Eric Valentine am Schlagzeug, Carlitos del Puerto am Bass und Steve Weingart an den Tasten) reitet der Teufel namens Energie, und wüsste man nicht, dass sie gerade mal drei Wochen vor der Tour zusammen geprobt habe, man würde auf jahrzehntelang eingeübtes blindes Verständnis tippen.
Das braucht es auch, wenn man sich auf solche exzessiven Jams einlässt, wie „Fall Into Velvet“ vom ersten Soloalbum des Gitarristen. Da braut sich auf einem Midtempo-Groove ein wahres Gewitter zusammen. Was zunächst von ferne wie ein Hendrix’sches Wetterleuchten klingt, wandelt sich im Refrain zu einem typischen Lukather: Die Sonne scheint verhalten in Moll. Jetzt fliegen Blicke, kaum sichtbare Zeichen über die Bühne, Luke dreht auf. Luke, der Gitarrengott. Dem man bei dem Versuch zuschauen kann, Gitarrensolo auf Gitarrensolo zu türmen. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Selbstverständlich kein Rockklischee auslassend, um es im nächsten Moment mit völlig unerwarteten Akkorden wie aus einer anderen Welt wieder zu dekonstruieren. Noch ein Solo. Solo Luke, Solo Ricky Z., dann sind die Keyboards daran, und wieder alle zusammen. Frage und Antwort, bis alles abgearbeitet ist. Das Riff, es wächst von Durchgang zu Durchgang, der Trommler steht kurz vor der Explosion, der Rezensent hyperventiliert. Das ist genau die Sorte Hippie-Jam-Band, die eine schon tot geglaubte Musizierhaltung stilvoll und unpeinlich ins 21. Jahrhundert herübergerettet hat.
Natürlich ist das (auch) selbstverliebte Musiker-Musik, auf die man sich als Zuhörer voll und ganz einlassen muss, sonst hat man nichts davon. Aber wer Ohren hat zu hören, und Augen zu sehen, der sieht Überzeugungstäter am Werk, keine Rockstars. Musiker, die einen solchen Spaß an dem haben, was sie tun dass es Funken schlägt. Und die das auch tun würden, wenn nur noch 50 Leute zuhören wollten. Wetten?