Whisky Fingers

AFM Records / VÖ: 27.11.2015

Der Kurator des echten Hardrock

Wenn es denn einen Nobelpreis für die Bewahrung und stilvolle, geschmackssichere Aufbereitung und Fortführung des klassischen Hardrock gäbe, Alex Beyrodt wäre ein Kandidat dafür. Zum vierten Mal setzt der Gitarrist und seine kongenialen Mitstreiter seine Vision klassicher Rockmusik um. Die sich von Album zu Album immer wieder in Nuancen ändert, ohne die Genregrenzen zu sprengen.

Und immer wieder glaubt der erstaunte Hörer, die musikalischen Ahnen müssten telepathisch am Songwriting beteiligt sein. Aber sie werden durch das detailverliebte Schaffen dieser auf allen Positionen erstklassig besetzen Band geehrt, nicht etwa plump kopiert. War das erste Album noch geprägt von Saitenhexerei à la Malmsteen, bediente die Band auf Broken Heart Syndrome das Erbe von Rainbow und Whitesnake. Auf dem dritten Album More Than One Way Home bleiben vor allem die gestapelten metallischen Riffgebirge in Erinnerung, die auch John Sykes zur Ehre gereicht hätten. Whisky Fingers vereint die Tugenden der letztgenannten beiden Alben und wagt noch ein paar Blicke über den Tellerrand. Da gibt es Perlen wie das sechseinhalb Minuten lange ›Watch And Wait‹, das sich den Groove der Strophe bei Billy Cobhams ›Stratus‹ borgt, da gibt es die Schlussnummer Been Said And Done, die den Spagat zwischen introvertiert und extrovertiert in viereinhalb Minuten schafft. Tiefe, Andacht, Aufbrausen, Innehalten, Loslassen – alles drin. Selbst die weniger aufregenden Standard-Rocker werden veredelt durch David Readmans süffige Turbo-Blues-Stimme, die in dieser Band immer noch zu wachsen scheint. Man nimmt ihm einfach alles ab, da kann er noch so oft „Baby Baby“ rufen, fächzen, flüstern. Das mag zum Schmunzeln sein, lächerlich wird es nie. Genauso wie »The Day The Walls Came Down‹ – eine Breitwandkino-Ballade, die Jon Bon Jovi in den 80er-Jahren auch nicht besser hinbekommen hätte.

9/10