„Ich fühle mich jetzt nicht als Künstler“
Noch so eine Erinnerung: im Juni 2008 traf ich Fritz Rau in Ettlingen bei einer Schulveranstaltung. Es war nicht das einzige Mal. Für die Welle Fidelitas, später „Welle“, habe ich ihn des öfteren interviewt. Er hat mich dabei immer gedutzt, ich ihn gesiezt. Und auf jede Frage, die man ihm stellte, bekam man eine ungefähr eine Stunde lange Antwort. Langweilig war‘s nie…… Das also stand im Juni 2008 in der Ettlinger Ausgabe der BNN
Begegnung mit Fritz Rau
So mucksmäuschenstill dürfte es in der Aula des Eichendorff-Gymnasiums selten zugegangen sein, wie gestern Vormittag, als die Schüler gebannt dem Vortrag des vom größten Konzertveranstalter Europas zum „Vortragskünstler“ gewordenen Fritz Rau lauschten.
Die Geschichten des mittlerweile 78jährigen Absolventen des Eichendorff-Gymnasiums (damals Ettlinger Realgymnasium), die wollten sie genau hören: Von der Jazzbegeisterung des jungen Fritz, die aber nicht zur eigenen Karriere reichte: „Ich war der schlechteste Kontrabassist überhaupt“. Von den Anfängen der großen Stadionkonzerte bis hin zur Begeisterung für „seine“ deutschen Stars wie Lindenberg und Maffay, an deren Karrieren er maßgeblich beteiligt war.
„Ich habe natürlich heute meinen Vortrag auch speziell auf Ettlingen ausgerichtete“, sagt Rau im BNN Gespräch. „Ich war ein bisschen klamm im Magen“, gibt er zu – ob der vielen Erinnerungen. Von seiner Lehrerin hat er den Schülern erzählt, die ihm gezeigt habe, dass der Weg das Ziel sei. Danach habe er gelebt. „Vor allen Dingen hat mir der Abschluss an dieser Schule ermöglicht, in die Studienstiftung des Deutschen Volkes zu kommen, das hat mir beim Studium geholfen“. Das abgebrochene Jurastudium hatte er, als er in den 50er Jahren schon ein renommierter Tourleiter amerikanischer Jazz-Größen war, wieder aufgenommen. „Ohne Studium hätte mich Horst Lippmann nicht als Teilhaber in seiner Firma aufgenommen“. Ja, er will dem jungem Publikum auch etwas von seinem Arbeitsethos mitgeben, „Dass es sich schon lohnt, auch noch mal den ‚Arsch hochzukriegen’, eben beispielsweise fertig zu studieren“.
Rau ist mit seinen Lebenserinnerungen über „50 Jahre Backstage“, die demnächst in die vierte Auflage gehen, seit 2005 unterwegs. 300 Lesungen hat er hinter sich gebracht. Oft ist der Applaus ähnlich frenetisch wie bei einem Rockkonzert. Fühlt er sich nun fast wie seine Stars? „Es ist nicht so, dass ich mich jetzt wie ein Künstler fühle. Aber ich fühle mich gewürdigt. Wir Konzertveranstalter waren doch eine große Zeit unseres Lebens immer nur Störer, und jetzt merke ich, wie unsere Arbeit allgemein anerkannt wird.“
Raus Begeisterung für musikalischen Nachwuchs ist ungebrochen. Er ist überzeugt, dass Musik auch heute mehr als Geschäft ist. Auf die Frage, ob da noch Platz für Überzeugungstäter wie ihn sei, antwortet er ohne Umschweife: „Natürlich, da gibt es doch die junge Band Silbermond, die haben auch einen ganz jungen Manager, da gibt es Juli oder Wir sind Heldenb.“ Aber mindestens genau so begeistert ihn, wenn die alten Recken des Deutsch-Rock auch im Jahr 2008 noch kommerziell Punkte machen können: „Was mich freut ist, dass Lindenberg jetzt diese Anerkennung bekommt, der war wochenlang Nummer Eins, hat jetzt Doppelplatin, und dieses Woche ist BAP Nummer eins in den deutschen Hitparaden. Das sind nicht nur die Alten, die das kaufen, da hören auch junge Leute zu.“
Rau ist aus dem aktiven Geschäft ausgestiegen und hat seine Nische gefunden, in der er „altersadäquat arbeiten kann“. Trotzdem: Hand auf’s Herz: Gibt es junge Künstler, auf deren Entdecker und Förderer er neidisch ist? Er überlegt eine Weile. Dann sagte er „Neidisch? Nein. Ich war nur positiv überrascht, als ich Tokio Hotel gesehen haben. Da ist Talent, aber da muss auch noch so viel gemacht werden.“ Nach wie vor wenig Talent sieht der „alte Fritz“ bei Casting Shows à la „Deutschland sucht den Superstar“. „Das geht vorüber, das ist wie’ne Grippe.“