Leblose Imitation
The Musical Box, Konzerthaus, Karlsruhe, 31.10.2019
Jon Lord, 2012 verstorbener Keyboarder von Deep Purple hat einmal sinngemäß gesagt, die Musik seiner Band sei genauso relevant wie irgendwas von Bach. Das ist natürlich einerseits wahr. Was schon dadurch bewiesen ist, dass „ernsthafte“ Orchestermusiker sich heute die Finger danach lecken, eine Band wie Deep Purple begleiten zu dürfen.
Das birgt aber auch andererseits die Gefahr, den eingefleischten Fan von klassisch inspirierter Rockmusik zu der Überzeugung zu verleiten, die Werke seiner Lieblingsmusik zu kanonisieren und vom Interpreten abzukoppeln. Die Folge dieses Missverständnisses: Tribute-Bands haben Zulauf. Man geht zu Pink Floyd- oder eben Genesis-Tribute-Bands mit der gleichen Rezeptionshaltung, mit der man ein Sinfoniekonzert besucht. Um dann enttäuscht festzustellen: It‘s the singer, not the song. Anders gesagt: Die Wirkung von Rockmusik hängt sehr vom Interpreten ab.
So auch im Fall der franko-kanadischen Genesis-Tribute Band The Musical Box, die am Donnerstagabend im Konzerthaus gastierte. Seit 25 Jahren versuchen sie, die Genesis-Ära der 70er Jahre detailgetreu nachzustellen, sogar mit „offizieller Lizenz“ der Originalband. Die Optik stimmt schon mal bei der aktuellen „Genesis Extravaganza Volume Two“-Tour. Die Musiker, die beim Original sassen, sitzen auch hier. Der Ersatz-Gabriel-Collins Denis Gagné steht, spielt Flöte, kann den Phil-Collins-Ausfallschritt, tritt beim Song „The Musical Box“ wie Peter Gabriel eine Bassdrum, setzt sich eine Fuchsmaske auf und radebrecht ein bisschen auf deutsch. Im ersten Teil des Konzerts geht es um die beiden ersten Alben der Nach-Peter Gabriel Ära, „A Trick Of The Tail“ und „Wind And Wuthering“, und es zeigt sich: Dem Collins kann er nicht die hohen Töne reichen. Die Band schlägt sich wacker, rumpelt werkgetreu, aber auf eine seltsam nervöse Art hektisch durch „Eleventh Earl of Mar“, um dann im Medley „… In That Quiet Earth / Robbery, Assault and Battery / Wot Gorilla?“ handwerkliche Brillanz auszuspielen. Wobei Keyboarder Ian Benhamou den Tony Banks‘schen Vorlagen so etwas wie Leidenschaft einzuhauchen vermag, während Gitarrist François Gagnon die Hackett‘schen Gitarrenlinien brav aber uninspiriert nachspielt. Malen nach Zahlen eben. Und das bei einem Sound, der oben schrill und untenrum ziemlich eierlos ist. Der sich im zweiten Teil des Konzerts nach Publikumsbeschwerden einen Tick bessert. Gut so, denn jetzt ist die interessantere Musik dran, nämlich die, die im Original noch von Peter Gabriel eingesungen wurde. Neben den erwrartbaren Publikumsfavoriten „Firth Of Fifht“ und „The Cinema Show“ sind mit „Stagnation“ und „Looking For Someone“ zwei Stücke aus dem „Trespass“-Album am Start, bei dem Steve Hackett noch nicht in der Band war, ergo sein bläßlicher Imitator auch nichts falsch machen kann. Die dargebotenen Versionen dieser Raritäten klingen vor allem deutlich gelassener als manches zuvor. Aber wenn Denis Gagné vor der Zugabe „Supper‘s Ready“ bei „The Musical Box“ sich am Gabriel‘schen Drama versucht, wird es wieder eher peinlich. Das klingt so angelernt und hüftsteif, das rettet auch die Fuchsmaske nicht mehr. Wer die Genesis Musik der frühen Tage liebt, kann auf The Musical Box getrost verzichten, so lange Steve Hackett diese Musik mit seiner Band lebendig und leidenschaftlich spielt.