Frank Schäfer

Die Neuerfindung des Rock‘n‘Roll

Essays

Der Hannes Bauer, das ist doch der eine Gitarrist von Udo Lindenberg, der linkshändige. Klar, das weiss jeder. Aber dass Bauer dereinst das geilste Trio Bauer, Garn und Dyke führte, weiss heute kein Schwein mehr. Frank Schäfer holt jene einzigartige Kapelle, die tatsächlich bluesigen Hardrock auf deutsch hinkriegte, im Kapitel ›Keine Pausen schon seit Oberhausen‹ aus dem Nebel des Vergessens. Gäbe es sonst nichts in dieser Textsammlung zu entdecken, sie wäre das Geld wert. Obwohl der Vielschreiber die Zusammenstellung der bereits in verschiedenen Publikationen erschienenen Essays im Vorwort als Gelegenheitstexte markiert, gibt es dennoch einen roten Faden:, »denn diese Sammlung trägt dem Umstand Rechnung, dass die ganze populäre Musikhistorie eigentlich nur passiert ist, damit es irgendwann Metal gibt«.  Wer unter dieser Prämisse liest, stellt fest: Da ist tatsächlich was dran. Dabei arbeitet derAutor mit verschiedenen Perspektiven. Im Kapitel ›Kleine Kulturgeschichte des Gitarrenhelden‹ gibt er den weitgehend sachlichen Musikhistoriker mit Detailkenntnissen des Instruments. Im Kapitel ›Hallelujah I love her so‹ glaubt man ihn süffisant lächeln zu sehen, während er sich über Versuche amüsiert, Popmusik auf den rechten, den christlichen Weg zu bringen. Im Woodstock-Kapitel analysiert er nachvollziehbar, dass Hendrix‘ Version der amerikanischen Nationalhymne kein so eindeutiges politisches Statement war, wie wir alle gerne glauben wollen. Wenn er die immense Energie von Rory Gallaghers Live-Auftritten beschreibt, wähnt man ihn mitten im Publikum, den Puls von Gallaghers kleinem Kofferamp auf Hochtouren gebracht. Manchmal braucht es nur einen Satz in einem längeren Text, um alles Wichtige über eine Band zu sagen: »Hawkwind sind Kunstkacke im Quadrat und einer der Gründe, warum es später Punk geben musste. Andererseits bestehen sie auch nicht aus Konservatoriums-Absolbneten, die den Graben zwischen E- und U überbrücken wollen und sich in langen Klassik-Exegesen ergehen, sondern aus musikalischen Dilettanten, die einfach gern ein paar Trips einwerfen und dann zusammen improvisieren, bis die Wirkung nachlässt.« Alles gesagt. Ach so, der Metal: Nach der Lektüre des Kapitels über die Anfänge von Judas Priest spürt, riecht und schmeckt man förmlich, woher das alles kommt und wohin es geht. Von ganz unten nach ganz oben.

Andreas Reiffer verlag, 2020, edition kopfkiosk, 134 Seiten, 9.50 Euro