Live In Tokyo

eagle vision/ VÖ: 14.11.2014

»Ich mag das Publikum hier. Sie hören zu«, sagt Jeff Beck. Sie hören ihm gerne zu, seit er 1973 mit dem Power-Trio Beck Bogart & Appice das erste Mal Japan betourte. Was das am 9. April 2014 im Tokyo Dome gefilmte Konzert zeigt, ist seine aktuelle Bandbesetzung, die sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch eine halbes Dutzend musikalische Genres arbeitet und ihnen dabei ihren ganz individuellen Ausdruck verleiht.

»Da kommt Punk mit Fusion im Mahavishnu-Stil zusammen, Rock, Wüstenblues, Street Rap, Django Reinhardt und Heavy Metal. Wenn man es nicht live gesehen hat, würde man nicht glauben, dass es die gleiche Band ist« wird der mittlerweile 70jährige Beck in den Liner-Notes der DVD zitiert. Er übertreibt nicht. Die, bestehend aus Jonathan Joseph (Schlagzeug), Rhonda Smith (Bass) und Nicolas Meier (Gitarre) spielt mit der sensiblen Aufmerksamkeit kreativer Jazzer ebenso stilsicher wie mit der Schlagkraft einer sehr lauten Rockband. Loaded als Einstieg setzt die Duftmarke: Ein monolithischer Block, wenn nicht furchteinflößend, so doch respektgebietend. Im Auge des Orkans dirigiert der Meister selbst mit stoischem Blick und federndem Gang die Vulkanausbrüche. Die sehr unterchschiedlicher Art sein können: Little Wing bringt die Hendrix-Vorlage auf eine neue ästhetische Ebene, ist Verbeugung und eigenwillige Interpretation gleichermassen. Becks Fähigkeit, jeden Ton bis zum letzten Tröpfchen auszuwringen, darf nicht nur hier bewundert werden. Sein Gitarrenspiel wirkt wie ein Panther auf dem Sprung, schleicht sich aus dem Hintergrund an um dann aus der Hüfte eine volle Breitseite zu feuern. Dabei agiert er als Gleicher unter Gleichen, mit seinen Musikern immer auf Augen- (bzw. Ohrenhöhe). Die Band folgt ihm ebenso aufmerksam wie inspiriert. Man achte darauf, wie sich die Rythmusabteilung selbstbewusst und dabei immer lächelnd freispielt. Entfesselter Dezibelsturn und filigrane Feinmotorik greifen lässig ineinander. Auch der zweite Mann an der Gitarre, der gebürtige Schweizer Nicolas Meier, ist in vielfacher Hinsicht ein Gewinn. Zum einen dient er Beck als Flugzeugträger für Starts und Landungen, zum anderen darf er seinen stilistischen Background ausspielen. Balkan, orientalisches, Klassik. Yemin beginnt mit einem „Weltmusik à la Meier-Intro“ und reitet danach mit stolz und laut durch die Wüste. Ein Höhepunkt der Setlist ist nach wie vor der pumpende, stampfende und rollende Monster-Groove von Billy Cobhams ›Stratus‹, aus dem sich offenbar immer noch neue Nuancen herauskitzeln lassen. Die Bonusfeatures sind zum einen Kommentare der Band zu einzelnen Stücken, interessant für detailversessene Fans und Musiker. Das Kapitel „Band on Band“ ist zum anderen genau das, was man erwarten kann: Die Beteiligten loben sich gegenseitig über den grünen Klee. Vorhersehbar, verzichtbar, aber nachvollziehbar und sehr sympathisch.

9/10