Im Lande der Gitarren
Sinner und Voodoo Circle in der Fabrik, Bruchsal, 30.11.2011
Zugegeben, die beiden Hauptattraktionen des verschwitzen Mittwochabend in der Bruchsaler Fabrik haben weder der Hardrock noch den Heavy Metal erfunden, aber sie haben sich mit soviel Liebe in den Geist der Erfinder hineingeprügelt und soliert, mit soviel Emotion ihre eigenen Songs daraus gemacht und mit soviel Inbrunst auf die Bühne gebracht, dass es einen Orden wert wäre. Zum Beispiel dafür, die besten Whitesnake oder Rainbow (Voodoo Circle) oder – zumindest für Momente – die besten Thin Lizzy zu sein, die es im 21. Jahrhundert gibt (Sinner).
Das sind kein Plagiate, das sind Verbeugungen, die klingen, als hätte man der Musik der Altvorderen einen Frischzellenkur angedeihen lassen. Das spannende an diesem Abend ist, dass Bassist Mat Sinner und Gitarrist Alex Beyrodt in beiden Bands spielen – und ihre Rollen im jeweiligen musikalischen Kontext verändern.
Bie Voodoo Circle stehen die Songs und er Gesang ganz vorne. Mit Beyrodt und Sänger David Readman (auch bekannt als Pink Cream 69 Frontmann) haben sich hier zwei Partners in Crime gefunden, die wissen, wie es geht. Beyrodt ist der kundige Lehrling des Großmeisters Ritchie Blackmore, spielt rasendschnelle ebenso wie wohlgesetzte langsame Soli, mit ausgeprägtem Bewusstsein für genau den Sound, der mitten im Solarplexus aufschlägt – und er weiss, was einen guten Hardrock Gitarristen vom Angeber unterscheidet: songdienliches Spiel und ein Gespür für Gitarrenriffs, schwer wie Öltanker in schlingernder See: Sänger David Readman hat das nötige Quäntchen Blues, dessen Intensität selbst genreübliche Gebrauchstexte in Poesie verwandelt – und sie haben Songs der Marke, die in den 80er Jahren ein Millionenpublikum gefunden hätten plus die Improvisationslust einer 70er Jahre-Combo.
Sinner, dees Bassisten Stammcombo, oszilliert zwischen geradlinigem Hardrock und freundlichem Heavy Metal. Der Clou der Band ist die Besetzung mit drei Leadgitarren – neben Beyrodt Christof Leim und Alex Scholpp. Faszinierend, wie die Arrangements dieser Muskeltiere ineinander verschraubt sind. Naheliegend, dass man mit einer solchen Besetzung von hochfliegenden Unisono Läufen à La Wishbone Ash und Thin Lizzy bis hin zum vollen Riffbrett, wie es dereinst das Evangelium von Judas Priest predigte, so ziemlich alles machen kann. Vor allem aber ist diese Band Spaß pur. Man sieht’s schon an der im Bühnenhintergrund aufgebauten Bar, an der Voodoo Circle Sänger Readman und ein Roadie fleißig ausschenken und dabei noch Background singen. Dazu werden Hits aus allen Sinner-Phasen kredenzt, das schwer herzeleid-krank-pathetische „Knife In My Heart“ ebenso wie das pumpende „Comin‘ Out Fightin“, plus viel aktuelles Material. Was vom Selbstvertrauen dieser vollkommen neu besetzten Band zeugt. Und es gibt diesen magischen Moment in „Back On The Trail“ da man tatsächlich glaubt, der 1986 verstorbene Phil Lynott sei auferstanden und man höre einen neuen Thin Lizzy Song. Das Publikum dankt es den Schwermetallarbeitern auf der Bühne „Ihr seid endlich mal ein Publikum, das uns in den Arsch tritt“, sagt ein sichtlich beglückter Mat Sinner, bevor er seine Band in die Zugabenrunde treibt.
Thomas Zimmer