Leitbild Siebziger Jahre: Voodoo Circle
Notiz: 2011 veröffentlichten Voodoo Circle mit Broken Heart Syndrome ein Album, das – gäbe es denn auf der Welt eine Gerechtigkeit – eigentlich genausoviel verkaufen hätte müssen wie Whitesnakes 1987. Quasi die Quintessenz des Hardrock mit 70er-Jahre-Flair, produziert mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts. Ich konnte ein ausführliches Interview mit Alex Beyrodt führen. Der ist auch einer von den Musikern. mit denen man keine Frage-Antwort-Spiele spielt, sondern in die Tiefe gehen kann. Und ausserdem lernt man als Nicht-Gitarrist so einiges über dieses Instrument. Erschienen ist der Artikel selbstredend damals im famosen ROCKS. Here we go….
»Ich hab‘ da meine Vision und die will ich umsetzen, und da lass ich mir nicht reinreden« . Das gilt für die Produzentenfrage, aber das gilt auch allgemein für das, was Alex Beyrodt mit Voodoo Circle anstellt. Die Band des 46jährigen Gitarristen, ist der Hardrocktradition der Siebziger Jahre verpflichtet. Mit dem neuen Album Broken Heart Syndrome noch eindeutiger als mit dem Erstling von 2008: »Meine Anfänge liegen in den Siebzigern, und das hat sich in meinem Gitarrenspiel von Anfang an niedergeschlagen. Durch die Achtziger kam ein anderer Stil dazu, da musste man dann immer schneller, höher und weiter. Ich bin halt vor ein paar Jahren ganz konsequent den Schritt zurück zu meinen Wurzeln gegangen«. Keine Masken, kein Verstellen. Voodoo Circle wird im Frühjahr 2008 Beyrodts Therapie und Spielwiese. Auf der man Musik aus exzessiven Jam Sessions entwickeln kann, aus leidenschaftlichen, verschwitzten Live Gigs. Bei denen dann wiederum auch ausufernde Bühnenversionen des aufgenommenen Materials entstehen dürfen. Kurz: Mehr Freiheit!
Dass man dazu die richtigen Leute braucht, ist ihm klar und dass man in einem »Alter ist, in dem man den Leuten nicht mehr zu sagen braucht, was sie spielen sollen« , auch. Leuten wie David Readman (Gesang), Mat Sinner (Bass), Jimmy Kresic (Keyboards) und Mel Gaynor (Drums). Letzterer – im Hauptberuf viel beschäftigter Trommler der Simple Minds ist ihnen inzwischen abhanden gekommen, aber mit Markus Kullmann ist für gleichwertigen, wen auch nicht ganz so prominenten Ersatz an der Schießbude gesorgt. Der Led Zeppelin Fan ist der Jon Bonham (oder wahlweise Cozy Powell) der Truppe. Als Beyrodt die Band startet, ist er sich des Risikos bewusst, das er eingeht: »Ich bin bekannt geworden durch härtere Sachen wie Sinner und Primal Fear«. Einerseits. Andererseits wollte er mit Voodoo Circle »weg von diesen Schranken, die man hat, wenn man im starren Metal-Gefüge musiziert, ohne das jetzt negativ zu meinen. Und die Leute sind froh dass es mit Voodoo Circle eine Band gibt, die solche Musik auf diesem Niveau spielt, und sie merken, dass es von Herzen kommt«.
Im Herbst 2009 lädt er David Readman für eine intensive Woche zu sich nach Gran Canaria ein, zusammen beginnen sie am zweiten Voodoo Circle Album zu basteln. Bei 27 Grad und in kurzen Hosen. Der Pink Cream 69 Sänger ist im Nachhinein noch überrascht über das massive Arbeitspensum, das schon in den Demoversionen steckt »In fünf Tagen haben wir 20 Songs gemacht, als Demo. Alex‘ Vorgabe war immer: Mach einfach, was für Dich natürlich ist« . Alex Beyrodt spricht von Magie »Ich habe das noch nie so extrem erlebt mit einem anderen Sänger« .
Betrachten wird Broken Heart Syndrome mal als als eine Kunstausstellung, dann sind die 6.43 Minuten ›Devils Daugter‹ der Hingucker, Anker und Herzstück – kurz: der Schlüsselsong zum Album: »Es ist auch immer der, den ich zuerst vorspiele, wenn jemand die neuen Songs hören will«, sagt David Readman. Das Intro mit der verhaltenen Hammond, dann der Sänger ganz als Mann am Abgrund und die Worte fließen, während Beyrodt die anschwellende Spannung umspielt, bis zum fetten, vollmundigen Refrain, nach dessen Absolvierung Herr Readman ein dreifaches „Baby Baby Baby“ hinterherschicken darf, und dann legt der Gitarrist nach – mit einem sehr klassischen, wohlüberlegten Solo, in dem kein Ton zu viel ist. Bis dahin hat sein Frontmann wichtige Worte gesungen. Da kommen Sätze vor wie „Ever since I was a drifter“ und „I was looking for a woman“ und ein magische Wort „Retribution“ ist ein solches Wort. Mit bedacht gesetzt, und es macht Dich schaudern. David Coverdale hat es gesungen in Crying in The Rain. Rache, Vergeltung heißt es, und mit Readman kann man sich ein paar Minuten lang unterhalten, wie wichtig der Klang „großer“ Worte für die Musik sein kann. »Ich hab kein Problem, wenn da die Coverdale-Vergleiche kommen. Man braucht ja irgendwie solche Vergleich, und dieser Song hat diese Stimme gebraucht«, und dann fügt er noch grinsend hinzu: »aber es ist schon anders“. »Devils Daughter ist eine Hommage an die Zeit, als Deep Purple mit Glenn Hughes und David Coverdale unterwegs waren«, bekennt Alex Beyrodt: »Ich habe versucht, diesen Spirit einzufangen, und als David damals bei mir auf Gran Canaria zum ersten Mals dazu anfing zu singen, hab ihn nur angeguckt und gesagt: Gigantisch. Der Song ist unheimlich schnell gewachsen und hat sich für alle in der Band zu einem Favoriten entwickelt« . So eroberte er sich auch die Position 3 auf dem Longplayer: »Das ist ein Statement«. Wenn man so will, besteht das ganze Album aus Statements: Deren gemeinsamer Nenner eine Verneigung vor den Vorbildern ist, ohne sie zu plagiieren. Derartige Vorwürfe würden eh an ihm abprallen, meint Alex Beyrodt, geäußert habe sie aber noch niemand.
Produziert hat er selbst. Dennis Ward, bewährter Mann fürs Harte und Melodiöse, bekam lediglich die fertigen Aufnahmen zum Abmischen. Die Produzenten-Rolle liegt Beyrodt: »Da hab ich einen Song vor mir und weiß, wie der werden soll« . Die Auswahl dagegen sei ein ungleich schmerzlicherer Prozess. »Auch deshalb, weil ich dann eben so betriebsblind bin. Wenn ich einen Song geschrieben und aufgenommen und bei mir im Studio eh schon 5000 mal gehört habe…. und muss dann eine Kritik dazu abgeben, das ist sehr sehr schwer. Wir wollten halt auf diesem Album ganz gezielt soweit wie möglich zurückgehen in die Siebziger. Das war auch die Prämisse bei der Songauswahl, dann hat jeder sein Kreuzlein gemacht, und am Schluss gab es eine A-Liste und eine B-Liste« . Bleibt die Frage. Wie bringt man diese Musik unters Volk? Am besten natürlich live, und am allerbesten, indem man eine Tour als Support Act macht. »Es muss aber schon passen. Kamelot etwa wäre wohl nicht das richtige, lass es mal Axel Rudi Pell sein oder Whitesnake…«
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