Schenker macht keine Gefangenen

Temple Of Rock, Fabrik, Bruchsal, 9.11.2014

Es waren vermutlich nicht die aktuellen Songs von Michael Schenkers Band Temple Of Rock, die die Menschen in Massen am Samstagabend in die Fabrik strömen liessen. Wohl auch nicht die Tatsache, dass Herr Schenker in seiner Band die alten Scorpions-Haudegen Herman Rarebell (Schlagzeug) und Francis Buchholz beschäftigt. Sicher auch nicht Sänger Doogie White. Der Mann, der Ritchie Blackmore’s Rainbow mit seiner großen Stimme in den 90er-Jahren einen ehrenwerten Abgang verschaffte. Schenker dürfte das bewusst sein. Ergo stellt er die Kraft seines Gitarrenspiels in den Mittelpunkt, und die lässt sich am besten mit einer Setlist zelebrieren, die auf bewährte Klassiker seiner Zeit bei UFO und der Michael Schenker Group setzt. Dazu ein bisschen Scorpions und eine homöopathische Dosis neueren Materials.

Mit der Einstellung vergibt man sich nichts, wenn zu Konzertbeginn den Allzeit-Klassiker „Doctor Doctor“ als Aphrodisiakum verabreicht: Die wie in einer Sardinenschachtel gedrängte Menge würde ja so gern kollektiv zum finalem Luftgitarren-Erstschlag ausholen, aber ach: zuwenig Platz. Schenker dagegen holt aus. Lächelt, schüttelt Hände in den Sekundenbruchteilen zwischen zwei Licks. Seine frühere Bühnenpanik – keine Spur mehr davon ist spürbar. Stattdessen erlebt man einen freundlichen, dem Publikum zugewandten Musiker. Wenn der 59jährige mit seinem Instrument eins wird, werden keine Gefangenen gemacht. Sein klares Lead-Spiel arbeitet sich konzentriert von Ebene zu Ebene vor. Jeder Ton ist durchdacht, auf seine Wirkung geprüft. Weil der Mann nur selten Rhythmus und Leadspiel verbindet, ist es gut, dass der mit Wayne Findlay einen zweiten Mann an der Gitarre hat, der dem massiven Sound bäuchlings die nötige Fülle gibt, angetrieben von extrem geradlinig rumpelnden Rhythmusabteilung.

UFO Klassiker wie „Natural Thing“, „Only You Can Rock Me“, seine spätere Griffbrett- Operette „Into The Arena“ sind letztlich nur Vehikel für den sämigen Gitarren-Wohlklang. Da verzeiht man dem schottischen Sänger, dass er mit seinem hochdramatischen pathetischen Stil bei UFO-Songs pfeilgerade am emotionalen Impetus des Originals – des südenglischen Straßenköters Phil Mogg – vorbeisingt. Da verzeiht man der Band auch das eher mediokre aktuellere Songmaterial. Denn Wenn Doogie White ewige Weisheiten à la „We stand together“ singt, dann ist der gealterte Hardrockfan wieder ganz bei sich in seiner Wagenburg gegen all das neumodische Zeug da draussen. Und es sind wahrlich mit die sympathischsten Wagenburgbewohner, die sich bei „Rock Bottom“ und „Lights Out“ doch noch den nötigen Platz verschaffen, auf dass die rechte Faust sich stolz in die Luft recke und die linke sich zur filigranen Greifhand forme. Die wieder mal absolut notengetreu diese Soli mitzappelt, die schon seit dem legendären Live-Album „Strangers In The Night“ von 1979 in Stein gemeisselt sind.