Hypnotisierendes Rumpeln
Pothead im Substage, Karlsruhe, 1996
Ein Romananfang: An einem flauschigen Abend in der Hauptstadt des Schepperklangs, Seattle, USA, sollte der junge sympathische Gitarrist Brad einen Refrain suchen, den er nie finden würde. Seit das Licht in diesem gut bevölkerten Club ausgegangen war, hatte er seine Gitarre mit Inbrunst bearbeitet. es waren schöne Klänge heraus-gekommen, zwischen „kreisch“, „bröääääv“ und „zong“ war alles dabeigewesen, was das Herz erfreut. Aber immer wenn er zu einem Refrain an-heben wollte, machte es plötzlich „plop“, der Song war aus – und trotzdem: Die Leute unten im Saal führten sich so wild auf, als hätte es einen Refrain gegeben.
Das freute den sympathischen Gitarristen Brad so sehr, dass er in Zukunft völlig auf jedweden Refrain verzichten wollte, und stattdessen eine Songform entwickelte, die man vielleicht als „rhythmische Hypnose mit Überraschungsschluß“ bezeichnen könnte. Also ging er denn hin und suchte sich zwei Mitstreiter, die sich besonders gut darauf verstanden, nur das Nötigste zu spielen, so wie er selbst auch. Bald waren Jeff und Sebastian gefunden, die Bass und Schlagzeug so zu bedienen wussten, dass es einem akustischen Lavafluß gleichkam. Und weil Jeff auch noch den schönen Nachnamen Dope hatte, nannte man die Combo fortan Pothead…. Das ist natürlich alles reinster Blödsinn. Brad hat vermutlich nie einen Refrain gesucht- und mit Pot und Dope haben die Herren bestimmt nichts am Hut?! Die Wirklichkeit ist viel prosaischer: Pothead ist ein Trio, bestehend eben aus Jeff und Brad, die schon in Seattle zusammen rockten, und Schlagzeuger Sebastian aus dem Sauerland. Hauptquartier ist Berlin, und von da aus haben sie sich langsam aber zielsicher eine erkleckliche Fangemeinde erspielt. Im Januar erschien die vierte CD, und sie trägt den bezeichnenden Titel „Learn to Hypnotize“. Pothead Music ist wohl mit einer gehörigen Portion Aggression gespickt, ihr Ursprung liegt auch eindeutig in den lauten Sieb-zigern. Aber nicht im Heavy Metal- das behauptete Brad jedenfalls kürzlich in einem Rock Hard Interview: „Black Sabbath waren für einen so zarten Charakter wie mich zu böse…“ Was ihn aber nicht daran hindert, gelegentlich Gitarrenriffs ähnlich bleierner Schwere einzustreuen, und dazu dann sogar noch gesanglich ins Ozzy-Osbourne-Timbre zu verfallen. Brad ist ein Mann, der etwas zu sagen hat, zumindest guckt er so philosophisch sorgenumwölkt. Entsprechend richtet sich die Musik nach dem Text: Melancholie, Flüstern und Schreien, Wut: alles wird zu kleinen fetten Kuchen zusammengebacken und dann serviert. Und wenn Brad mit seinen wohlgesetzten Worten durch ist, dann macht´s eben plop, und der Song ist fertig. Noch ein Romananfang: Es war wieder so ein Abend, an dem er sich dieses Konzert angetan hatte. Er wußte nicht so recht, was er davon halten sollte, also ging er erstmal zur Bar und bestellte sich ein Bier. Unterwegs traf er einen sehr kundigen Kritikerkollegen: Der war völlig begeistert. Ein ums andere mal sagte der: „Geil, supergeil…. “ „Aber es ist nicht die Zukunft des Rock´n´Roll? Oder habe ich da was falsch verstanden?“ fragte er verunsichert nach. „Nein, die Zukunft des Rock ´n´ Roll ist es nicht“, konnte ihn der Kollege beruhigen. Aber vielleicht die Gegenwart.