Ein Abend „Genesis light“
Ray Wilson im Cellarium Knittlingen, 19.3.2011
Eigentlich könnte Ray Wilson heute ein Weltstar sein: bot sich ihm doch 1996 die einmalige Chance, Phil Collins am Mikrophon bei Genesis zu ersetzten. Aber „Calling All Stations“, das einzige Album, das Wilson mit Genesis aufnahm, war leider nur eine musikalische Großtat, kommerziell konnte es nichts reißen, und auch die dazugehörige Tour floppte und die Band löste sich auf, bevor Phil Collins Jahre später für eine letzte Tour zurückkamen. Schon vorher hatte die Band die Zusammenarbeit mit Wilson still und leise beendet.
Dem Schotten der mit „Inside“ und seiner Band Stiltskin 1994 ein One Hit Wonder geschaffen hatte, bleibt nun nichts anderes übrig, als unermüdlich zu touren und seine 15 Minuten Weltruhm auszuschlachten. Man kann’s ihm nicht verdenken, und er macht es gut, wie er am vergangenen Samstagabend im ausverkauften Cellarium in Knittlingen unter Beweis stellte. Mit seinem eigenen Song „Change“ beginnt er den Abend, nur spartanisch begleitet von seinem Pianisten Filip Walcerz. Man kann es als Statement lesen und hören, dass Wilson zu Beginn dieses Abends seine eigenen Qualittäten als Songschreiber klarstellt. Der Song wirkt wie eine Blaupause für sein gesamtes Schafffen: ein bittersüße Melancholie weht durch den Raum, die erzählt von einem mittlerweile 42 jährigen Mann, der Höhen und Tiefen zu Hauf durchlebt hat. Dann kommen die Hits: „Follow You Follow Me“ macht den Auftakt und zeigt Wilson als den Sänger, dessen Timbre die beiden Genesis-Epochen aufs trefflichste zusammenführt: Da ist der fast aseptische Wohlklang, das Streben nach Perfektion à la Phil Collins genauso drin wie eine gehörige Dosis Wahnsinn, die das gesamte eingesungene Werk des frühen Peter Gabriel durchzieht.
Gurt funktionieren die Songs aus „Calling Alls Stations“, an deren Entstehung Wilson beteiligt war, und die von ihren Melodien leben, weniger von den Arrangements der Originalaufnahmen. Wilson und Walcerz beschränken sich bei der Instrumentierung aufs Notwendigste, lassen der Song leuchten. Das funktioniert sogar bei der Phil Collins Schnulze „Another Day In Paradise“, die in dieser Interpretation ein wenig mehr Dreck unter den Fingernägeln sammelt. Was im akustischen Duo weniger gut funktioniert, sind die Umsetzungen opulent produzierter Vorlagen wie „Invisible Touch“ oder „Land Of Confusion“. Was da zu hören ist, sind Notlösungen, und man könnte durchaus den Eindruck gewinnen, diese Songs würden einfach deshalb irgendwie über die Bühne gebracht, weil sie halt zum unvermeidlichen Kanon der großen Hits gehören.
Entschädigt wird man dann wieder durch Wilsons trockenen Humor. Etwa wenn er von einem Song erzählt, den er mit Genesis zum ersten Mal bei „Wetten Das“ gesungen hat. Das sei ja nicht das Ereignis gewesen, sondern die Anwesenheit von Claudia Schiffer. „Sie sieht fast so gut aus wie ich“. Oder die Geschichte von den Alpträumen nach einer Tour mit Marius Müller-Westernhagen, die bis heute immer wiederkämen, und selbst mit viel Jägermeister nicht zu unterdrücken seien. In diese Kategorie passt auch der als „Flughafen-Blues“ angekündigte Rausschmeißer „Airport Song“, in dem es um betrunkene Musiker geht, die eben wegen Betrunkenheit am Flughafen von Malaga gestrandet sind. Zeit für Zugaben und klar dass da als erste Wahl „In The Air Tonight“ förmlich in der Luft liegt.