Im Land, wo Milch und Honig fiedeln
Festival Of Irish Folk Music im Tollhaus, Karlsruhe, 18.3.2018
Ardmore liegt in Connemara im wilden Westen Irlands und hat ungefähr dreihundert Einwohne. Ein Prozent davon stand am Sonntagabend auf der Bühne des Tollhauses, wie Conall Flaherty schmunzelnd feststellte. Flaherty ist ein Drittel des jungen Trios High Time, das das Festival Of Irish Folk Music eröffnete. Das besondere dieser Band ist zum einen die Besetzung: Neben Flötist Flaherty und Gitarrist und Sänger Ciarán Bolger brilliert Flahertys 19-jährige Bruder Seamus an der keltischen Harfe. Damit schafft er einen perlenden, fliessenden Drive, der die Musik – gleichwohl fest in der Tradition verwurzelt – einen Tick anders klingen lässt.
Zum anderen ist ihr dreistimmiger Gesang so perfekt geschliffen, dass die Refrains bisweilen wie Popsongs klingen – im besten Sinne. So wird Tim O’Briens Seefahrerballade „Fiddlers Green“ zur anrührenden Beschwörung eines sagenumwobenen Landes, in dem paradiesische Zustände herrschen, das der tragische Held aber nie findet. Und doch klingt es in dieser Interpretation so, als habe er es erreicht. Als am Ende des Auftritts Seamus Flaherty seine geradezu akrobatischen Steptanz-Künste vorführt, kennt die Begeisterung des Publikums keine Grenzen mehr.
Etwas raubeiniger, burschikoser kommt im Anschluss das Schwestern-Duo Cassie und Maggie MacDonald aus Kanadas keltisch geprägter Region Nova Scotia rüber. Den beiden sitzt der Schalk im Nacken, und man kann sie sich gut als gnadenlose Party Animals vorstellen. Das ist vor allem Cassies kernigen, urwüchsigen Fiddlespiel zu verdanken, das immer mehr nach Strassenmusik denn nach Konzertsaal klingt. Jigs, Reels, Polka – das sind die Zutaten, mit denen man das Publikum knackt und zu Freudenschreien animiert. Selbstredend muss es aber auch eine dieser finsteren Mörder-Balladen geben. Cassie hat die Lacher auf ihrer Seite, als sie erzählt, sie seien vertraglich verpflichtet, pro Auftritt ein solch grusliges Stück aufzuführen.
Das Quartett Rianta schliesslich ist so etwas wie eine Supergroup der irischen Folkszene, und die Etikettierung „High Energy Trad Folk“ trifft das Gebotene ziemlich genau. Angetrieben von Conor Moriartys Knopf-Akkordeon spielt das Quartett halsbrecherisch-virtuose Instrumentalmusik, bei der Moriarty und Geigerin Karen Hickey sich zum Teil duellieren, zum Teil in wohlgesetztem Unisono-Spiel ergänzen. Eine weiter Trumpfkarte der Band ist Kieran Leonard, der aus der Bodhran, der irischen Rahmentrommel, ein solche Vielfalt von rhythmischen Akzenten und Klangeffekten herausholt, die immer wieder Staunen macht. Für das in der keltischen Musik immer unterschwellig mitbrummende Pathos sorgt schließlich Gitarrist und Sänger Cilian O’Daleigh, dessen Version des Runrig-Songs „Rocket Tio The Moon“ das paradiesische Fiddlers Green tatsächlich in greifbarer Nähe erscheinen lässt. Ganz angekommen sind dort dann alle bei der abschließenden ausgelassenen Session, die die Musiker des Abends noch einmal auf der Bühne vereint.