Sie sind gelandet!
Ausserirdische landen auf der Erde und ergreifen schnell wieder die Flucht, als sie sehen, was auf dem blauen Planeten abläuft. Das ist die Idee hinter dem aktuellen RPWL-Album Tales From Outer Space. Wie der Titel andeutet, handelt es sich um vertonte Kurzgeschichten. Die Freisinger Prog-Rocker brechen damit mit ihrer Konzeptalben-Tradition.
»Wenn wirklich Ausserirdische kämen und ich müsste denen Rede und Antwort stehen, das wäre mir so peinlich, weil ich es ja auch nicht erklären könnte«, lacht der Sänger. »Wenn Du in den 70er- Jahren mit Science Fiction aufgewachsen bist und der freudigen Erwartung, was aus den Menschen werden könnte – ohne Geld, und alle sind gleich – und jetzt sind wir im Jahr 2019 und haben es noch nicht mal geschafft, das Frauen gleich bezahlt werden. Dass ist eine zutiefst frustrierende Geschichte. Der einzelne Mensch mag ja vernünftig sein, aber sobald Du Menschengruppen zusammen tust, wird es a priori unvernünftig.« Lang sieht das Album mit seiner Asussensicht auf die irdischen Zustände denn auch mehr als Gesellschaftskritik denn als wirkliche Utopie, auch in Abgrenzung von finsteren Dystopien wie George Orwells 1984: »In der Reihe sehen wir uns nicht.«
Die Musik bewegt sich zwischen epischer Schönheit, die hohlen Bombast weiträumig umschifft, gepaart mit markanten, markigen Gitarrenriffs von bisweilen furchterregender Wucht. So zu hören beispielhaft gleich im Opener ›A New World‹ Yogi Lang ist sich der Wirkung solcher Stilmittel durchaus bewusst, die Entstehung kann allerdings auch mal eher profan sein. Lang und Gitarriost Kalle Wallner arbeiten im gemeinsamen Studio Tür an Tür und »die Türen zwischen uns sind offen. Man weiss ja nicht, ob der Kalle gerade an irgendeiner Idee rumbastelt oder nur einen Gitarrenamp ausprobiert. Aber das gehörte zu den Sachen, zu denen man sofort eine Idee hat.Als ich diesen Riff von drüben gehört habe, bin ich sofort rübergesprungen und hab‘ frohlockt: Sie landen, sie landen! Es macht Bam! und dann ist der Song eigentlich schon fertig.«
Yogi Lang ist im Laufe der Karriere seiner Band von Fans oft mit der Frage konfrontiert worden: »Ist das ein Konzeptalbum?« Die er in den vergangenen Jahren mit Ja beantworten konnte. So hatten sie mit Beyond Man and Time 2012 eine musikalische Reise zur Philosophie unternommen. Angelehnt an Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ schickten sie ihren Helden auf eine Reise zur Erkenntnis. Wanted (2014) beschäftigte sich mit der Frage, ob die Menschheit für das von Platon formulierte Geschenk der absoluten Freiheit bereit ist. »Wir haben eine Zeit lang überlegt, ob wir einen dritten Teil machen. Aber wenn Du so ein richtiges Konzeptalbum mit einer durchgehenden Geschichte drin machst, dann fordert die Story ab irgendeinem Punkt die Musik ein. Das heisst, du bis nicht mehr frei, sondern hängst an einem roten Faden, dem du folgen musst. In dem Fall sollten es aber sieben unabhängige Geschichten sein, damit wir als Band im Studio endlich mal wieder frei machen konnten, was wir wollten.«
Die musikalische Freiheit bedeutet auch, sich nicht auf genre-übliche Klischees einengen zu lassen. Weder findet man handwerkliche Hochleistungssport-Fingerübungen noch ins Endlose gedehnte Stücke, die unterwegs ihre Soannung verlieren. So wirkt das zehnminütige ›Light Of The World‹ auf den Hörer, als steige er eine Treppe hoch, und erreiche mit jedem Stock eine neue Aussicht, hinter der sich eine weitere Treppe verbirgt. Jede Stufe erhöht die Spannung. Die Variationen werden nicht mit der Brechstange, sondern eher langsam fliessend eingeführt. »Man muss beim Schreiben eines Songs am Ball bleiben und wir sind von der Denke her sehr songorientiert. Wenn du uns beim Arbeiten zuschauen würdest, hättest du eher das Gefühl, wir arbeiten an einem Singer-Songwriter-Albuzm als an einem Progressiv-Rock-Album.«
Auffälligstes Beispiel ist ›What I Really Need‹ mit U 2 ähnlichen Gitarren und einer zauberhaft eingängigen Melodie m it hohem Mitsing-Faktor. Das in einer anderen Welt ein Radiohit sein müsste. Der Gedanke amüsiert Yogi Lang: »Das wäre dann aber wirklich Science Fiction.« ›Not Our Place To Be‹, ein nicht verwertetes Überbleibsel aus Langs Soloalbum, ist ein weiteres Beispiel für die Song-orientierte Arbeitsweise: »Als ich Kalle das vorgespielt habe, hat er gemeint, er wird keinen Country-Song mit mir spielen. Irgendwann agte er aber: Gib’s mir mal, ich glaube, ich hab ’ne Idee. Nach zwei Tagen hat er mir das Playback gegeben – und es war genau der Basic Track, den ich danals aufgenommen hatte. Er hat nur ein Gitarrenthema eingebaut und Streicher hinzugefügt, und der Song klintgt komplett anders.« Auf dem Track ist übrigens Pink-Floy Bassist Guy Ptratt zu hören. Yohi Lang hat ihm die neue Version geschickt, und er gab seinen Segen dazu.
Die Pink Floyd – Affinität der Freisinger blitzt auch für einen Momnert in ›Welcome To The Freak Show‹ auf. Da sind Roto-Toms zu hören, die sehr vertraut nach dem Intro von Pink Floyds ›Time‹ klingen. »Unser Schlagzeuger hatte die Roto-Toms mit aufgebaut und hat die dann auch gespielt. Ich erinnere mich, dass ich gesagt habe: Nee, das kannst Du nicht machen, aber Kalle ist ins Studio gestürmt und hat gerufen: lass es! Lass es!«
Im Regelfall gibt es aber nur wenig Reibungsverluste im Team Lang/Wallner. »Das synchronisiert sich ganz automatisch, ohne dass du drüber nachdenkst.Wir haben ein gemeinsames Studio, ein gemeinsames Label, eine gemeinsame Band. Wenn er das Gefühl hat, das ist eine Idee, die mich interessieren könnte, steckt er sie mir zu und umgekehrt.«
Tales From Outer Space wird in verschiedenen Formaten angeboten, unter anderem als limitierte Sammlerbox mit einem Comic-Buch, in dem die Geschichten der sieben Songs umgesetzt sind. Ein Angebot für all jene, die sich intensiv mit der Musik und den Inhalten auseinandersetzen wollen.« »Wir können nichts anderes machen, als es zur Verfügung zu stellen. Ich habe den Eindruck, dass es Leute gibt, die das immer noch wollen und dass es Leute gibt, die auch wieder drauf kommen, dass Musik mehr Wert haben kann als eine Playlist auf einem Streaming-Kanal. Für uns lohnt es sich noch und so lange es diese Leute gibt, werden wir es zur Verfügung stellen.«