Routinierte Roots-Rocker
The Brandos im Jubez, Karlsruhe, 21.10.2018
Mein Gott, diese Stimme! Dieses markerschütternde, manchmal kreissägenhafte, gelegentlich männlich herb zärtliche, aber immer von richtigem Pathos getränkte Organ des Dave Kincaid. Eigentllich sollte es sich turmhoch über dem bewährt bratzigen Gitarrengedengel und geradlinigen Rhythmus-Gerumpel der altgedienten Kapelle erheben, die trotz ständiger Besetzungswechsel immer zuverlässig altmodisch klingt. Kincaid erzählt irgendwann in der zweiten Konzerthälfte, das Label habe den ganzen Backkatalog auf Vinyl wiederveröffentlicht, aber „ich habe keinen Plattenspieler, aber man sagt mir, sie klingen gut“.
Er vor allem klingt auch gut – normalerweise. Aber beim Konzert am vergangen Sonntag im doch recht gut besuchten Jubez hat der hörbar stocktaube Mixer vor lauter Liebe zu Bass und Schlagzeug diese Stimme fast vergessen, und so muss man zwar nicht gerade Lippen lesen, aber die eigentlich Gänsehaut erzeugenden Momente eines Brandos-Konzertes sind da nur mit einem speziell eingestellten Hörgerät zu ertasten.
Als da wären: vor allem die alten „Kulthits“, die immer noch ihre magische Wirkung entfalten. Wie „Solution“, „Light Of Day“ oder das knappe Civcil-War-Monument „Gettysburg“, das grobmotorische Riffs wie tektonische Plattenverschiebungen gegen hymnischen Gesang auffährt und ein Lehrstück für alle Roots Rock-Songschreiber ist: Selten passte war der Satz „weniger ist mehr“ besser. Hit Wenn Dave Kincaid hinausbelfert „Billy Yank said good-bye, mother’s son left to die,
Dixieland look away. Mother’s son died today“, beschleicht den alteingesessenen Fan das Gefühl, genau in diesen alten Songs fühle der der Sänger sich zu hause. Mehr als in dem neuen Zeug vom in Teilen spanisch eingesugenen „Los Brandos“-Album. Klar, die Band (Gitarrist Frank Giordano, Bassist Sal Maida und Drummer Phil Dimarco) zelebriert auch hier stur ihren seit Jahr und Tag ungeschliffenen, unveränderten, rumpeligen Roots-Rock-Charme.
Allerdings mäandrieren Songs wie „Querer a los niños“ oder „Senor Coyote“ doch eher ziellos lärmend umher, statt Erlösung zu finden in jenen großen Refrains, die die Klassiker von früher auszeichneten. Unter den neuen Songs überzeugt einzig die aufgekratzte Bühnenfassung von „Woodstock Guitar“, eine leicht sentimentale Reminiszenz an das legendäre Festival. Kincaid singt „I took the winding road up to Woodstock, where Dylan and Van and The Band walked before. I saw the graying remnants of glory days filled with music, passion and war“, und schon sind die Brandos wieder genau da, wo sie hingehören: Im Storyteller-Himmel. wenn das dann auch noch mit einem augenzwinkernden Pete-Townshend Tribute-Riff unterfüttert wird, geht ein wissendes Leuchten durch die verwitterten Seelen des treuen Publikums und alles ist gut.