Folkpunk Torpedos im Anflug
Across The Border in der Kulturhalle, Remchingen, 31.10.2009
Zwar heißt es im Titelsong der aktuellen CD „Loyalty“, man solle sich einerseits treu bleiben, andererseits aber auch verändern. Bezieht man den Satz auf die musikalische Entwicklung dieser Band, die seit 1991 (mit einer Unterbrechung von 2002 bis 2007) ihr eigenes Ding durchgezogen hat, dann bleiben sie sich vor allem treu.
Folkpunk spielten sie schon, als das Wort noch nicht erfunden war, und ihre Mischung von ausgelassener Tanzfete und politischer Fundamentalopposition hat sich auch nicht geändert, getreu ihrem trotzig hochgehaltenen Motto: „If I Can’t Dance To It, It’s Not My Revolution“. Allenfalls die musikalischen Zutaten wurden verfeinert, was der unbändigen Energie und geradezu verzweifelten Spielwut der Band aber keinen Abbruch tut – im Gegenteil. Mit dem Titelsong der CD kommen alle Qualitäten der Band schon nach wenigen Minuten auf den Präsentierteller: „Loyality“ recycelt Bekanntes und Bewährtes, verbindet Balkanfolklore mit einem Ska-typischen Offbeat und will vor allem eines: Bewegungsenergie frei setzten – mit den richtigen Zutaten: Da ist die Geigerin Nicole, die immer wieder eine neue Stufe Furiosität zündet. Sie tut das, was in anderen Bands der Gitarrist tun würde: Die solistischen Glanzpunkte heraushauen, dass es nur so Funken stiebt. Die Gitarre, von einem stoisch blickenden Herrn namens Roger bedient, liefert solides Grundgefühl und kommt am besten, wenn sie auf gnadenlosen Sägezahn-Modus eingestellt ist und das brüllende Fundament für das meist aus der keltischen Ursuppe gespeiste Zwiegespräch von Fiddle und Akkordeon liefert. Binnen weniger Minuten ist alles ein Wallen und Wogen bei diesem Heimspiel, das Volk will sich in freundlicher Solidarität anrempeln in verständnisinniger Aneignung der Botschaft. Wer daraus allein musikalischen Genuss zieht, bitteschön. Dass es mehr sein kann, darauf weist die Band in ihren Texten oft genug hin.
Das Zentrum des Orkans ist Sänger Jochen, eine Art singendes Energiebällchen, immer in Bewegung, etwas atemlos, aber echt bis in die fliegenden Haarspitzen. Die neuen Songs aus „Loyalty“ machen vor allem Dampf, während die eher an Traditionelles angelehnten Gesänge wie „My Rose“ oder „The Last Crusade“ eine Art seliges Robin-Hood-Schunkeln ins Werk setzen, letzteres mit Metalgitarre auf die höchste Ebene des eben gerade noch erträglichen Pathosfaktors erhoben. Auf der anderen Seite stehen die hitzigen Coverversionen „Störtebeker“ und „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“, die manchen Echt-Punk vor Neid erblassen lassen könnten. Und mittendrin erweisen sie mit „New England“ Billy Bragg Reverenz, der in Sachen „eingängige Melodien zu politischem Text“ sicher ein Lehrmeister dieser Band ist. Inzwischen schafft es die Band auch, beide Enden ihres stilistischen Spektrums zu einem überzeugenden Ganzen zu verschmelzen. Das mag zum einem dem knackigen Sound in der Kulturhalle zu danken sein, zum anderen auch der hörbaren Professionalisierung der Band, die zwar immer noch das Bild eines liebenswerten Chaotenhaufens abgibt, aber wesentlich exakter und druckvoller zusammenspielt als in den Zeiten vor der Reunion 2007. Was selbstredend die erwähnte Tanzbarkeit ihrer Revolution noch steigert, wenn etwa zu Beginn des Zugabenblocks „Alerta Antifascista“ beschworen wird.