Die alleinseligmachende Kraft der Orgel
Rutesheim, Uhlenspiegel, 22.3.2014
Natürlich ist es großartig, wenn man einen Don Airey – der nun wirklich mit allen ganz Großen gespielt hat – in der Musikkneipe seines Vertrauens vorm Konzert mit Handschlag begrüßen und nachher wieder verabschieden kann. Aber nicht nur deshalb: Das Konzert des Herrn und seiner hochkarätigen Band in der schwäbischen Provinz vor rund 200 Zuschauern konnte einen Eindruck vermitteln, wie es in schwitzigen Clubs zugegangen sein mag, als diese Art Musik vor rund 45 Jahren erfunden wurde. Mit dem Unterschied, dass es Anno 2014 deutlich besser klingt. »Eine Hammond-Orgel ist ein wildes Tier und man muss ein ganzer Kerl sein, um sie zu spielen« hat Aireys Kollege Ian Gillan einmal im ROCKS-Interview gesagt.
Der ganze Kerl, den er gemeint hat, führt ein zweistündige Hammond-Dressur vor: Er lässt sie surren, beben, kreischen, er spielt glasklare Soli und verzerrte Breitseiten. Dass dabei Gitarrist Rob Harris (Jamiroquai) lautstärketechnisch in den Hintergrund gefegt wird, es sei verziehen. Und dass nicht alle Synthieklänge, die Airey benutzt, ganz stilsicher sind – auch geschenkt. Hier geht es zuvörderst um die alleinseligmachende Kraft der Orgel.
Das Material, das die Band – die ausserdem aus Basser Laurence Cottle (Eric Clapton), Drummer Darrin Mooney (Gary Moore, Primal Scream) und Sänger Carl Sentance (Persian Risk, Krokus) – auf die Bühen bringt, ist eine Ritt durch verschiedene muskalische Welten: Da sind die ausgefuchsten Progressive-Etüden aus Aireys Solowerken, die allfällige Deep Purple Hommage und zur Freude eines mitsingbereiten Publikums Rainbow-Hits wie ›Since You’ve Been Gone‹ und ›All Night Long‹. Sänger Carl Sentance ist die Überraschung des Abends: Seine Stimme hat viel mehr Tiefe als das die Studioaufnahmen vermuten lassen. Und er kann ›Child In Time‹ perfekt singen. Nicht ganz so emotional, wie Gillan dereinst, aber er trifft den Charakter. Airey erlaubt sich im Intro einige Variationen, und das Gitarrensolo von Rob Harris ist deutlich dizipinierter als die Blackmore-Vorlage, aber dennoch weit mehr als „Malen nach Zahlen“.
„Ein alter Song, nicht ganz so alt wie ich“, kündigt der durchgehend fröhliche Organist an, und ›Spotlight Kid‹ fährt wie ein Torpedo aus dem Rohr: Die Präzision, mit der die Rhythmussection die wohlarrangierten Doppelläufe von Gitarre und Keyboards trägt, ist zwar für en Band dieses Kalibers Standard, aber aus so intimer Nähe betrachtet doch eine Extra-Gänsehaut wert. Es geht aber nicht nur um solides Handwerk an diesem Abend: So wird die ›Mini Suite‹ vom aktuellen Album – Gary Moore gewidmet – vom pompösen Ross der Studiofassung heruntergeholt, ohne dass am Arrangement etwas verändert wird. Es ist der Schweiß, der es anders klingen lässt. Dass in der Zugabe ›Gimme Some Lovin‘‹, ›Dazed And Confused‹ und ›Black Night‹ vereint werden, bringt noch einmal auf den Punkt, wo das alles herkommt. Und warum das nie aufhört: Weil es nirgends besser funktioniert als auf der Bühne.