Die glückspendende Kraft der Gitarre

Bernard Allison, 19.1.2004, Remchingen, Kulturhalle

Da steht nicht viel auf der Bühne. Eine kleine Anlage, ein kleines Drumset, ein paar Boxen. Aber dann geht das Licht aus und der Ton an, und zwar sehr: Die Band groovt sich ein, Bernard Allison lässt die Gitarre singen und jaulen, murmelt und knurrt: „I’m Bernard Allison, born and raised in Chicago, Illinois.“ Ja, das hört man. Man hört auch, dass er der Sohn von Luther Allison ist, mit dem er bis zu dessen Tod immer mal wieder zusammengearbeitet hat. Die Songs des ersten Teils sind Hommage an den Vater. Aus Luthers Band stammt auch der Keyboarder Mike Vlahakis.

Die Legende sagt, der habe nie wieder auftreten wollen nach dem Tod des Alten. Sohn Bernard hat ihn schließlich in seine Band geholt und das ist extrem gut so: Vlahakis zeigt gleich in den ersten fünf Minuten, wie Orgel geht. Laut, fett und traditionell angezerrt. Wieviel Freiraum der Mann von seinem Chef kriegt! Eine Ohrenorgie. Allison selbst spielt mit extremer Dynamik. Wenn er lärmt, lärmt er richtig, wenn er leise ist, möchte’ man fast nach einer Hörhilfe rufen. Er scheut in den lauten Passagen durchaus nicht den Hardrocksound, kann sich aber gerade bei Slowbluesnummern so zurücknehmen, als spüre er angestrengt seinen ätherischen Tönen nach. Zwischendrin gibt es noch ein gerüttelt Maß an Facetten. Da singt er über die „big city“, und es atmet den Geist der Sümpfe, des Swamp. In „Bad Luck“ ist alles drin. Angerissene Töne, die teilweise aus dem Takt fallen und doch traumwandlerisch auf ein Crescendo hinarbeiten. Die Band weiß immer, wo es langgeht, das Publikum spätestens jetzt auch. „Bad Luck“ ruft Allison – und so schallt es zurück. „Mysery“ funktioniert genauso. Unglück und Elend, na klar. Das Publikum hat den Bluestest bestanden. Stehenbleiben, tanzen, Note eins. Sehr laut ist das, aber hervorragend ausgesteuert. Knochentrocken und transparent. Um Längen besser als auf der aktuellen Live-CD „Kentucky Fried Blues“. Der Funkfaktor erhöht sich, die Rhytmussection soliert. Drummer Ron Sutton und Bassist Jassen Wilber zeigen, dass ihre Instrumente Streichelkätzchen und Maschinengewehr zugleich sein können.

Der zweite Teil beginnt mit einer endlosen Variation über ein altbekanntes Riff. Was war das noch mal gleich? Egal, das kollektive Unterbewusste steuert die Körpermotorik. Der Saal brodelt, Allison marschiert durchs Publikum, spielt Frauen an, posiert für Fotos, die dazugehörige Männer schiessen, die Akkorde splittern und splattern. Dann marschiert er aus dem Saal, hinter der Biertheke durch die Küche, wieder hinein, die Fans hinterher. Der Rattenfänger von Chicago. Jetzt ist party. Und jetzt darf auch mal eine ganz straighte, einfache Rocknummer sein, in der sich der Meister auf ein relativ kurzes Solo beschränkt, fast wie Robert Cray. Ach, der Vergleich hinkt: Allison ist einfach rauer, die Musik hat viel mehr „balls“ und radiotauglich ist sie – Gott sei Dank – nie. Wahwahgetränktes mittleres Tempo, marschierender pumpender Rhythmus, das pure Glück aus der Verstärkerbatterie. Töne vibrieren, ohne dass Allison einen Vibratohebel ansetzen würde, die Band wird eins mit ihren Instrumenten. Allison stellt Fragen. Auf der Gitarre, versteht sich. Fordernde, lustige Fragen. Das Publikum juchzt. Alle Fragen beantwortet. Eine erschöpfende Behandlung. „Wenn Du Bernard Allison den Job gibst, dann kriegts Du eine Bernard-Allison-Show. Ich halte mich nicht zurück.“