Ersetzt Tofu in wenigen Sekunden: Schattenwurst

Text: Johannes Frisch / Thomas Zimmer

Foto Copyright: Cornelia Echte

Eric Pfeil, einer der profiliertesten Musikjournalisten der Republik, überraschte kürzlich in seiner Kolumne „Pop-Tagebuch“ im Rollling Stone unter der Überschrift „Mysterien des Alltags“ mit folgender Entdeckung: „Die andere Sache, die seit der letzten Tournee in mir nachhallt, ist ein Bandname, den ich auf einem Plakat in Karlsruhe entdeckte. Es ist der faszinierendste Bandname, der mir im deutschsprachigen Raum bislang untergekommen ist, ein Bandname von schönster konsonantensatter Pracht: Schattenwurst.

Noch heute, Wochen nach der Erstbegegnung, flüstere ich ihn in den unterschiedlichsten Situationen vor mich hin. Ich kann den Lesern nur empfehlen, es mir gleichzutun. Gleich jetzt am besten: „Schattenwurst.“ Genießen Sie jeden Moment mit diesem Wort! Natürlich habe ich recherchiert, was sich musikalisch hinter diesem Namen verbirgt. Schattenwurst bestehen aus sechs Herren, überwiegend wohl jenseits der Fünfzig, die laut Eigenaussage „orientierungslosen Impro-Rock“ spielen. Sowenig mich diese Genrebeschreibung in ihren Bann schlägt, so sehr unterstütze ich hiermit das Wirken dieser Band. Natürlich hätte ich es noch interessanter gefunden, wenn Schattenwurst eine Death-Metal-Band gewesen wäre, aber man kann nicht alles haben. Sollte ich dereinst wiedergeboren werden, dann bitte als Nasenflötenspieler bei Schattenwurst.“

Was verbirgt sich nun tatsächlich dahinter? Vier über ihren Instrumenten ergraute Herren, für die die Wiege der Rockmusik in den 70er Jahren sanft und psychedelisch geschaukelt hatte, leckten noch einmal Blut. Das Blut der ausufernden Improvisation, des unbegrenzbaren Gedaddels, des fröhlichen Naturrauschs, der einem befallen mag, wenn man zu lange die Saiten gezupft, die Felle gehauen und die Tasten gedrückt hat. Kurzum, sie haben sich aus Lust an der Freud im Studio zum spontanen Jammen verabredet, ganz ohne Muss und ohne sich um die üblichen Songkonventionen zu scheren. Zur Stammbesetzung aus diversen Bands, die immer wieder variiert, kam der in jder Hinsicht experimentierlustig gebliebene Saxofonist/Flötist Lazlo Wolpert und der Grötzinger Künstler Guntram Prochaska. Letzterer ist zwar vor allem für seine performative Kettensägerei und die sich daraus ergebenden Holzskulpturen bekannt, doch hat er als Spontanvokalist und Performer schon manches Bandprojekt wie die Sponti-Band oder das Duo Doc Farbe verhübscht. Mit skurrilen Kurztexten von Goldgräbern und Robotern, lautmalerischer Vokalakrobatik und opernhaftem Belcanto in selbsterfundener Fantasiesprache verleiht er dem eigenartigen Bandprojekt genau den Charakter, der dem Bandtitel zu entsprechen scheint. Dazu werden vom Stammtrio Keyboarder Jochen Schmidt (Paule Popstar & The Burning Elephants), Bassist Matthias Winkelmann (Kaosplanet) und Schlagzeuger Thomas Zimmer (Crépuscule, Paule Popstar) und wechselnden Gitarren-Artisten Töne angeschlagen, die an das opulente Klangbild der 70er Jahre erinnern. Schattenwurst sollte man sich nicht aufs Brot legen, sondern direkt in die Ohren stopfen, denn selten war sie so wertvoll wie heute. Und sollte Eric Pfeil mal vorbeikommen, kann er gerne Nasenflöte spielen.