Homo Erraticus

kscope / VÖ: 14.4.2014

Der Rattenfänger in Höchstform

Gerald Bostock ist wieder da: Der Protagonist der Thick As A Brick Alben tritt dieses Mal als Tourmanager auf, der im Buchladen des fiktiven Kaffs Linwell ein Manuskript des Amateur-Historikers Ernest T. Parritt ausgräbt: Ein Rundumschlag durch die britische Geschichte – mit Ausblick in die nahe Zukunft.

Darum strickt Ian Anderson ein weiteres Konzeptalbum. Dass die Musik dabei eine Geschlossenheit erreicht, wie sie auf Andersons Werken der vergangen 20 Jahre so nicht zu hören war, ist das große Verdienst des Albums: Griffige Songs, die auch für sich stehen können. Zu dem runden Eindruck trägt die Produktion bei, die kräftiger klingt als der Vorgänger und doch einen Anteil an nostalgischer Patina zulässt. In Florian Ophale hat er den Gitarrenpartner gefunden, der ihm die fleischigen Riffs liefert. Zudem scheinet das Gitarrenspiel des jungen Bayern die Flöten-Ekstase des Frontmanns zu befeuern. Dessen Gesangsparts so clever geschrieben sind, dass die kaputten Stimme nicht unangenehm auffällt. Homo Erraticus lässt Stilelemente aus allen Jethro-Tull-Phasen aufblitzen und setzt sie in einen neuen Zusammenhang. Stagnation auf höchstem Niveau? Ja, aber gerade deshalb ist es das bestmögliche Album, das Ian Anderson an diesem Punkt seiner Karriere machen konnte. Denn im Experimentieren war er immer schlecht. Alles ist drin: harter Rock steht neben sakraler Feierlichkeit, die verspielte Leichtigkeit von Living In The Past‹ wird wiederbelebt ebenso wie das lange verschüttete Folk-Element und der schräge Humor von A Passion Play. Der abschließende Riff-Rocker Cold Dead Reckoningist das wohl das hypnotischste Stück Musik, das Anderson in seiner Karriere besungen hat.

9/10