Geschichten On The Road: Die Radio Pandora-Premiere

Essen. Lichtburg 14.5.2008

Kein „Verdamp lang her“ an diesem Abend in der Essener „Lichtburg“, dem Kino, in dem vor acht Jahren Wim Wenders’ BAP Film „Vill passiert“ entstand. Hier und jetzt geht es ausschließlich um die neuen Songs der beiden „Radio Pandora“ Alben. Den größten Hit wegzulassen ist kein Affront gegenüber dem treuen Publikum, sondern ein Bekenntnis der Band, sich auch im Jahr 32 der Bandgeschichte immer wieder neu zu erfinden. Die, die es geschafft haben, Karten für die Premierenvorstellung zu ergattern, feiern die Band zweieinhalb Stunden fast genauso enthusiastisch ab, als wäre es eine Greatest-Hits-Tour.

Dabei ist das eine Veranstaltung, die so garnicht auf die Dramaturgie einer auf Tempo und Steigerung angelegten Show setzt. Hier steht der Geschichtenerzähler Niedecken auf der Bühne, der ausführlich wie selten alle 20 Songs des Albums vorstellt. Der erste, eine donnernde, straighte Rockhymne schält sich aus dem gelesenen Schluss von Jack Kerouacs „On The Road“ hervor („Wat für e’ Booch“), Noch agiert die Band etwas verhalten, außer Drummer Jürgen Zöller, der knüppelt als wäre sei es Wembley-Stadion. Mit „Musik die nit stüührt“ singt Niedecken wie Don Quichotte gegen das Radio an, das Stromgitarren für die Pest hält, und Helmut Krumminga liefert die Stromgitarre dazu. Frei von allen Guitar-Hero-Klischees (die er durchaus alle draufhat), reduziert auf wüstentrockene, einprägsame Riffs, prägt sein Spiel den Sound der Band. Lange Soli sind sein eher selten, dafür schmückt er die Songs immer wieder mit rostigen, überraschenden Licks, auf die dann Keyboarder Michael Nass seine qualmenden Schweineorgel-Attacken setzten kann.

Die Unplugged-Songs leben nicht zuletzt von der Atmosphäre, die Dauergast Anne de Wolff mit ihrer Geige einführt. Niedecken erzählt dem amüsierten Publikum, seit er vor über 30 Jahren von Bob Dylans „Desire“ Album musikalisch wieder wachgeküsst wurde, habe er sich immer gewünscht, plötzlich käme eine schöne Frau mit einer Geige und veredle seine Songs, Da ist sie, die Wunderwaffe: für bodenständigen Blues („Frankie und er“) oder gar Country-Flair („Duude Blume“).

Nach der Unplugged-Strecke nimmt das Schiff wieder langsam Fahrt auf, „Wolf und Skorpion“ (ein seiner Lässigkeit heimlicher Verwandter von Tom Pettys ‚Mary Jane’s last Dance’), dann immer heftiger bis hin zu „Diego Paz“. Was schon in der Studiofassung wie eine Kreuzung zwischen texanischer Bartgitarristenkunst und britisch-klassischer Hardrockschule klang, hier gewinnt es noch mal die Dimension des entfesselten Jammens hinzu: Michael Nass und Helmut Krumminga duellieren sich wie dereinst Lord und Blackmore, und die Publikumsreaktion sagt eindeutig: Das, meine Herren, solltet ihr öfter und länger tun. Wer erlebt hat, welche entfesselten Hippie-Jams BAP im Sommer 2007 auf der Bühne aus „Müsliman“ gemacht haben, der weiß: Das kommt. BAP im Jahr 2008 jedenfalls kann alles, außer Pop. Das haben sie gründlich verlernt, und das ist gut so. Und so schöpft auch die letzte Zugabe nach minutenlangen Standing Ovations aus konsequent aus dem Fundus der Ursuppe: „(Money) that’s what I want“ war der erste Song, den Niedecken 1964 mit seiner damaligen Schülerband auf die Bühne brachte.