Alles fliesst

Universal Music I VÖ: 18.9.2020

Kölsch rockt wieder

Nach dem eher verspielten Vorgänger Lebenslänglich führt Alles fliesst die Musik der Kölner wieder auf die Essenz zurück: Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang. Ja auch Keyboards, aber nie als »Tapete« oder gar »Teppich«. Dazu Bläser, dort wo es extrascharf klingen soll. In seiner Gesamtheit wirkt das Album, als wolle Niedecken es komplett auf die Bühne bringen: Alles ohne Ausnahme ist live-tauglich.

Ja, es rockt. Aber anders als etwa Sonx von 2004, das messerscharf am Hardrock vorbeischrammte. Es ist puristischer, transparenter und bei aller Schroffheit luftig arrangiert und produziert. Gelegentlich hört man Anklänge an Tom Petty, an Americana – vor allem aber betont das Album das Roll in Rock‘n‘Roll. »Amelie, ab dofür« etwa, von einem vorwärts stürmenden Riff geschoben, ist lupenreiner Bluesrock mit viel Dreck unter den Fingernägeln und kulminiert in einem schmutzigen Saxophonsolo. »Du häss dich arrangiert« erinnert in seiner ruhig schreitenden Lässigkeit an die entschlackte 2005er-Version von »Frau ich freu‘ mich«. Mit »Ruhe vor‘m Sturm« liefert Niedecken schließlich eine Art Fortsetzung von »Kristallnaach«, verzichtet aber auf Allegorien und Bilder und spricht stattdessen Klartext. Mit bedrückender, finsterer Musik, die die wirklich Angst macht. Der Musik dieses geradezu dystopischen Songs kann man so nicht vorwerfen, dass sie zum missbräuchlichen Tanzen oder Mitklatschen einlade.

8 ½ / 10