Das Foto: Woolly Wolstenholme, der Autor, John Lees (von links nach rechts)
Through the Eyes of John Lees
NOTIZ: Das ist ein Interview, das ich mit John Lees und Woolly Wolstenholme vermutlich 1999 geführt habe, als Redakteur des Rundfunksenders „Die Welle“ in Karlsruhe. Ob das so gesendet wurde und warum ich seinerzeit ein Transkript angefertigt habe – ich kann mich nicht erinnern. Ich erinner mich allerdings, mit zwei sehr sympathischen, bescheidenen Herren gesprochen zu haben. Das Album, das sie damals aufnahmen, war allerdings leider nicht so toll. ich habe es ihnen aber – bin ja ganz britischer Gentleman – nicht verraten. Here we go…..
Wie seid ihr wieder zusammen gekommen. Und vor allem Wooly- was hast Du die letzten 20 Jahre, von ein paar musikalischen Lebenszeichen abgesehen, getrieben?
Wooly: Ich habe als Landwirt gearbeitet. Aber irgendwie musste ich jetzt zur Musik zurück. Ich traf John bei einem Jahrgangs-Treffen der Kunstschule wieder. Wir haben ja damals zusammen studiert und die Band gegründet, jedenfalls die Hälfte davon. Die Leute haben John dann gefragt: Was machst Du jetzt- und er sagte: Ich denke, ich mache jetzt ein Album mit Wooly. So hats alo angefangen. Dann machten wir eine Audition für eine Plattenfirma, und haben ein paar Demotapes verschickt. Glücklicherweise haben wir diese Prüfung bestanden.
Ist das nun das endgültige Ende der Barclay James Harvest Besetzung, wie wir sie kennen- mit Les Holroyd und Mel Pritchard?
John: Ich habe nach dem vorletzten Album und einer Tour dann erkannt, dass mich das nicht mehr befriedigt. Der Spaß, die Kreativität, die man als Gruppe zusammen erlebt., all das existierte nicht mehr. Es war eine natürliche Entscheidung zu sagen, lasst uns damit aufhören. Lasst uns einfach jeder für sich machen, was wir als einzelne Personen wollen. Und ich wollte eben mit Wooly arbeiten, ich wollte sehen, ob wir einige der Sachen wieder entdecken könnten, die passierten als wir Gone to Earth und XII machten. Ich wollte sehen, ob der Spaß noch da war, die Hingabe und die Kreativität, die man gemeinsam mit anderen entwickelt . Ich meine, wenn du Dir River of Dreams anhörst, da gibt es vielleicht zwei Songs, die wirklich eine Band-Arbeit sind. Aber der Rest- das sind zwei Soloalben. Und das Gleiche gilt für die meisten der letzen Barclay-Alben. Und so wollte ich nicht aufhören.
Manche Käufer werden sicher kritisieren, dass auf der neuen Platte eine ganze Menge Remakes alter Songs drauf sind.
Wooly: Das sind wirkliche Neuaufnahmen. Das ist keine Remix- oder Remaster-Geschichte. Die Plattenfirma hat das so vorgeschlagen. Man hätte ja auch über ein komplettes Album mit lauter alten Tracks nachdenken können, eine Art BJH-Revisited. Aber wir haben die Sachen eben ein bißchen verändert, das sind schon noch die ursprünglichen Songs, nur ein bißchen anders.
Ihr habt zwei neue Leute dabei, den Bassisten Craig Fletcher und den Drummer Kevin Whitehead. Sind die nun feste Bandmitglieder?
Wooly: Sie sind ein bißchen von allem. Als wir anfingen, fragten wir Mel Pritchard, ob er Schlagzeug spielen möchte. Er hatte in einem Inzerview gesagt, er würde mit jedem spielen, der ihn wollte. Aber aus irgendeinem Grund erschien er nicht. Also fragten wir den Bassisten, den wir engagiert hatten, ob er nicht einen Drummer wüßte. Er nannte uns jemanden, den haben wir uns angeschaut, als er in einer Bar spielte, und er war okay. Drum sind die beiden nun dabei. Sie bringen ihre eigenen Gefühle in das Album ein. Wir sind keine Bassisten oder Schlagzeuger. Es ist auch Quatsch, mit einem Drumcomputer zu arbeiten und dann zu sagen: Hör her, das sollst Du spielen. Ich bin kein Schlagzeuger, ich habe nicht das Gehirn eines Schlagzeugers. Sie sind also jedenfalls mindestenes Bestandteil der NEXUS-Band und sie spielen auch auf der Tour.
John: Es kaommt ganze einfach auf den Erfolg der Platte an, ob diese Verbindungen halten. Wenn alles nach Plan läuft, und es zumindest ein kleiner Erfolg wird, dann können wir eine weitere Platte aufnehmen. Aber das ist dann schon wieder ein ganz anderes Spiel. Vielleicht brauchen wir dann auch keine alten Songs mehr aufnehmen, weil wir der Plattenfirma dann etwas bewiesen haben. Und wenn wir lauter neue Songs aufnehmen, können die neuen Leute auch mehr zum Zuge kommen.
Was mir fehlt, ist die agressivere Seite von Barclay James Harvest, die es ja auch auf den älteren Alben immer gegeben hat. Stücke wie die Live Version von Medicine Man. Was steckt dahinter?
Wooly: Also ich muß sagen, dass ich auf dieser Platte mehr Agression höre. Zum Beispiel der Opener „Festival“, da ist doch Schärfe drin, das hat so ein King Crimson-Feeling. Andererseits- du kannst uns als Individuen nicht ändern. Was die härteren Nummern der Vergangenheit angeht: Wir waren nie Aerosmith, wir waren nie Deep Purple. Natürlich hatten wir eine rockigere Seite. Aber die Band ist eine englische Band und macht englische Musik- und eben nicht so Bon Jovi Zeugs. Vielleicht hast Du früher auch etwas gehört, was es garnicht notwendigerweise gab? Nimm mal „Loving is easy“. Das haben wir jetzt in einer Art JJ-Cale-Version aufgenonmen. Und eben nicht als Free-Version. Also wie „Wishing Well“ oder so ähnlich. Das war halt nie Heavy Rock, sondern immer schon mehr Easy Listening.. Die neuen Songs im Zusammenspiel mit den alten- das ist schon ein rundes Album.
John: Als Wooly die Band verlassen hatte, gab es einige Songs, die eine lange Zeit vorher geschrieben worden waren, die aber für andere Mitrglieder der Band nicht akzeptabel waren.. Einer war dabei, der schon für „Ring of Changes“ komponiert war. „Starbright“
Wooly: Insgesamt hat die Platte mehr Verbindung zu „Gone to Earth“ als zu irgendetwas anderem, was wir gemacht heben.
Aggressives kann ja auch subtil ablaufen…. und so kann ich es auch verstehen, was ihr sagt.
Wooly: Natürlich muß man schon mit den Leuten reden. Wir machen den Job und schauen dann, was passsiert. Aber ich denke schon, das die meisten unserer Hörer mit dieser Mischung zufrieden sind. Ich habe meine Lieblingssongs auf der Platte, und die Platte klingt für mich wie die Platte einer richtigen Band. Und von John weiß ich halt, dass das bei den letzen BJH-Alben nicht so war. Zwei Individuen, die allein arbeiteten.
Wie hat sich denn die Zusammenarbeit zwischen euch beiden jetzt gestaltet?
Wooly: Das genaue Gegenteil. Mindestens zwei Songs haben wir zusammen fast aus dem Stehgreif geschrieben, obwohl wir auch teilweise alte Themen benutzt haben. Im ersten Song, „Festival“ steckt ein kleines Stück von einem Song aus dem Jahr 1970, der nie aufgenommen wurde. Manche Leute haben mich gefragt- welche Songs sind von Dir- und ich habe geantwortet: Alle. Und das ist die Wahrheit. Es ist genau wie damals, als wir die ersten Platten machten. Es sind alles unsere Songs.
John: Früher habe ich einen Song auf der Gitarre komponiert, dann hab ich ihn dem Rest der Band vorgespielt, und jeder tat das seinige dazu. Und das, was dann auf Platte erschien, das war Barclay James Harvest…. Zu einer gewissen Zeit schrieben alle in der Band Als Wooly ging, veränderte sich das. Jemand sagte unlängst zu mir: Wenn John und Les (Holroyd) das Herz von Barclay James Harvest waren, dann war Wooly die Seele. Und genau das fehlte, seit er weg war. Wir haben in der Zwischenzeit mit vielen Keyboardern gearbeitet, die wohl den Sound herstellen konnten, sie hatten aber nicht diesen Input…
Wooly: Ja klar…. Diese Keyboarder waren einfach zu gut.
Das hier ist natürlich auch interessant für Leute, die zu euren Konzerten kommen. Wenn es einen solchen Split gibt, dann ist natürlich hinterher immer die Frage: welche Songs spielen die jetzt auf der Bühne, welche dürfen die überhaupt spielen?
John: Naja, wir können „Child of the Universe“ spielen, „Poor Man’s Moody Blues“, „Hymn“, „Mockin Bird“, „Suicide“. Es gibt also genug Klassiker, sowohl von mir als auch von Wooly,. Und kein ursprünglicher BJH-Fan wird enttäuscht sein.
Wooly: Es wird schon bedeutender für die Fans sein, die wir bis zu der Zeit hatten, als ich die Band verließ. Und dann natürlich die neuen Sachen, das werden die Eckpunkte sein. Und wir werden natürlich nicht „Live is for Living“ und nicht „Berlin“ spielen. Es wird jedenfalls die ganze Geschichte von Barclay James Harvest reflektieren. Es gibt schon die Möglichkeit, dass wir „River of Dreams“ oder „John Lennons Guitar“ spielen.
Also auf keinen Fall Les Holroyd Songs..
Wooly: Ich glaube, das fände er nicht so gut….
Es tut ja einerseits gut, wenn man sieht, dass Leute über Jahrzehnte hinweg ihr Ding durchziehen. Aber auf der anderen Seite ist es doch dann auch interessant, mal zu fragen, was eben diese Leute an aktuellen Trends mitbekommen und auch irgendwie verarbeiten.
Wooly: Man entkommt ja der Musik nicht, Sie ist im Supermarkt, in den Restaurants, in den Aufzügen, einfach überall. Was ich höre- das was ich immer gehört habe: Klassische Musik und ein bißchen Radiohead. Und ich höre immer noch King Crimson, Wir werden uns selbst nie loswerden. Wir sind, was wir sind. Wir werden nicht über Nacht Led Zeppelin.
John: Ich habe meine Phasen. Ich finde Blur gut. Ich finde Jarvis Cocker gut, Ich mag Billy Idol, ich mag Paul Carrack, manchmal. Es gibt einige Sachen von Prince, die ich wirklich gut finde. Billy Idoil finde ich vor allem wegen Steve Stevens gut. Das ist eben ein Gitarrist, wie er im Buche steht. Meine Kinder haben ihre Platten, die spielen sie … und ab und zu höer ich was und denke: Oh das klingt gut. Das letzte dieser Art war die neue Oasis-CD. Da waren zwei wirklich gute Tracks drauf.
Wie alt sind deine Kinder jetzt? Und welche Beziehung haben sie zur Musik ihres alten Vaters….
John: Dreizehn und achtzehn…
Wooly: … Du hast es ja schon beantwortet: Der Musik ihres alten Vaters, genau das ist es.
John: Nein nein, meine Tochter ist völlig verrückt nach CDs. Sie nimmt eine, und dann läuft die 24 Stunden lang…. mit vierzehn oder fünfzehn hat sie jedenfalls alle diese Barclay James Harvest-Scheiben entdeckt. Und dann fing sie an, die zu hören, bis ich die Überreste einsammeln konnte… Ich habe dann gesagt. Hör jetzt auf damit, ich hab nur eine von jeder.
Wooly: Also das zeigt doch, welches Publikum wir gerne hätten. Alle einfach von acht bis 80 — wir sind übrigens auch von viel jüngeren Leuten interviewt worden als von dir, und da waren 25jährige dabei, die unsere Fans sind.
John: Da gibt es noch die Geschichte von meinem Sohn. Der Direktor seiner vorigen Schule fand zufällig heraus, dass er der Sohn von John Lees war, der bei Barclay James Harvest spielt. Und dieser Direktor besaß nun alle unsere frühen Alben. Meiun Sohn war total am Boden zerstört, dass sein Direktor ein Barclay Fan war…. und als der Mann dann auch noch alle seine Platten anschleppte, damit ich sie zum Signieren bekomme, da wünschte sich mein Sohn, dass sich der Boden auftun möge und ihn verschlucken.
Wooly: Es ist halt nicht cool, wenn dein Schulleiter ein Fan deines Vaters ist. oder?