Beat Club 1965-1972 Jubiläums-Edition

Studio Hamburg / VÖ: 25.9.2015

Gleich vorneweg: Die Jubiläumsedition im „Amp“-Design bietet nichts wirklich Neues ausser eben jenes Gitarrenverstärker-Köfferchen, eine Uschi-Nerke Autogrammkarte, eine überflüssige Bonus-DVD voll tanzender Go-Go-Girls, ein Echtheitszertifikat, einen Regler, der die Beat-Club-Melodie erklingen lässt und dem Bewusstsein, Besitzer einer auf 2000 Sück limitierten Ausgabe zu sein. Der einzige wirkliche Benefit gegenüber den 2008 erschienenen drei DVD-Boxen ist ein 120 seitiges Büchlein, das die Sendungen in Zitaten der Macher, Moderatoren und dort aufgetretenen Musiker lebendig werden lässt.

Wer diese legendären 80 Sendungen noch nicht in seinem Archiv stehen hat, sollte natürlich beherzt zugreifen. Denn die 3840 Minuten dokumentieren nicht nur die Entwicklung vom Beat und Pop der späten 60er-Jahre bis zu härteren und progressiveren Rockspielweisen in den Seventies, sondern auch ein Stück aufmüpfige Jugendkultur. Es war auch die Zeit, in der sich der Nachrichtensprecher Wilhelm Wieben vor Beginn der ersten Sendung beim erwachsenen Fernsehpublikum quasi für das nun Folgende entschuldigte. Das wurde schließlich schnell sogar für Fernsehmacher aus England ein Vorbild. Wenn Regisseur Mike Leckebusch Stars nicht zu Radio Bremen holen konnte, zeigte er Filme, oder ging direkt in den Marquee Club, wo Uschi Nerke den damaligen Chef Chris Barber artig befragte. In den ersten Jahren standen vor den Beatclub-Kameras friedlich vereint Antipoden wie die Bee Gees und Jimi Hendrix, Barry Ryan und The Who. Später, als das progressive Element zusammen mit Leckebuschs optischen Verfremdungen immer mehr zunahm, gab es immer noch wunderbar merkwürdige Mischungen von konventionell und abgefahren – oder wie soll man es sonst nennen, wenn in einer Sendung Mungo Jerry und Van der Graaf Generator auftreten? Als der WDR begann, den Bremern Wortbeiträge zu liefern, war plötzlich alles irgendwie politisch. Da schlich die Kamera um schwedische Jugendliche herum, die sich beschwerten, dass sie nirgends ungestört kiffen können. Da las eine Journalistin 1970 aus den Hessischen Bildungsrichtlinien vor, der Musikunterricht solle zu einer gediegenen musikalischen Volkskultur führen, und unmittelbar danach brachten Black Sabbath mit dem Teufelsakkord ihres namensgebenden Songs das Studio zum Beben. Der Beat Club bot Sensationen: The Who mit Songs aus Tommy. Alle hätten sie gern gehabt, die Bremer kriegten sie. Nicht zu sehen ist Led Zeppelin im Bremer Fernsehstudio. Wohl waren sie dort, wurden aber nie gesendet. Glücklicherweise gesendet wurde eine sehr spezielle Version von Deep Purples Highway Star, bei der ein offensichtlich rotzbesoffener Ian Gillan einen neuen Text erfand: »I’m gonna take it all around like Steve McQueen, Micky Mouse and all that«. Pflichtprogramm!