The Killer Instinct
Nuclear Blast / VÖ: 20.2.2015
Weitgehend befreit von der Erblast
Einmal gibt es eine eher unerwartete Anspielung: ›Sex, Guns & Gasoline‹ klaut recht dreist bei Fleetwood Macs ›Oh Well‹. Vielleicht ist da die augenzwinkernde Botschaft: Wir sind mehr als Thin Lizzy II. Das hätte es nicht gebraucht, denn das zweite Album zeigt eine Band mit deutlich gereifter eigener Identität.
›Charlie I Gotta Go‹ schraubt bereits die Lizzy-Erinnerungsriffs auf ein Minimum herunter, während sich Ricky Warwick als Geschichtenerzähler bewährt, der mit seinen Musik gewordenen Dramen aus dem richtigen Leben ebenso zu fesseln weiß wie Phil Lynott. Es ist die Weisheit der Straße, für die Warwick leidenschaftliche und berührende Worte und seine eigene Stimme findet. Noch deutlicher wird die Distanz von der Über-Liesel in ›Bullet Blues‹. Da weht ein komplett neuer Groove durch den Raum. Härter und doch näher an schmutzigem Rock’n’Roll als an Metal. Die himmelsstürmende Ballade ›Blind Sided‹ strahlt mehr Weltschmerz aus, als der unvorbereitete Konsument ertragen kann – und schrammt dabei gerade noch so am Pathos-Overkill vorbei. Auch das ist eine der Qualitäten des Albums: den Drama-Faktor nicht bis zum äussersten auszureizen. Wer ohne eindeutige Thin Lizzy Reminiszenzen nicht leben kann, der ist mit dem Titelsong und Mit ›Soldiers Town‹ gut bedient. Die zwar nur die altbekannten Markenzeichen wiederholen, aber mit deutlich fetterem Sound, als Thin Lizzy je im Studio zu erzeugen vermochten.
9/10