Die ganze Welt in „ruut un’ wiess“

Bläck Fööss, Keltenhalle, Rheinstetten-Mörsch, 6.11.2005

„Wat wollt ihr in Rheinstetten, do verstonn se euch jo nit?“ hätten wohlmeinende Kölner die Fööss gefragt. Das erzählt Sänger Kafi Biermann gleich am Anfang, und schon mit dem ersten Lied wird der Beweis des Gegenteils erbracht: Dort, wo der Rhein vorbeifließt, versteht man auch Kölsch. Und trinkt es auch, wie am Sonntagabend in der leider nicht ganz vollen Moerscher Keltenhalle. „Drink doch eine met“ eröffnet die über zweistündige Show der Kölner Unikate, die von manchen immer noch als Karnevalskapelle missverstanden werden.

Natürlich spielen sie im Karneval, aber schon damals, 1970 waren sie etwas anders – langhaarig (heuet eher grau und weißhaarig) und unbeschuht, Bläck Fööss eben. Sie erzählen Geschichten. Anrührende, authentische, echte und herzerwärmende. Sie schauen den Leuten aufs Maul und bearbeiten ihre Figuren mit Ironie, aber ohne Häme. Um halb zehn Uhr morgens auf der Zülpicher Straße in Sülz. Da steht man an der „Kaffeebud“ und diskutiert die sportliche Erfolge des FC oder ob die „Höhner“ Playback singen. Musikalisch ist alles drin. Griechische Anklänge mit Bouzouki, das bombastische „Jump“ Intro des neuen Keyboarders Andreas Wegener, eben hier noch ein wenig Sambaflair, dann wieder da fast kelirtische Ausgelassenheit, Gitarrist Bömmel Lückerath spielt bretonisch anmutendes im „Kradechor“. Und doch: Wenn es irgendetwas gibt, was man guten Gewissens als „deutsche Volksmusik“ bezeichnen könnte, die Fööss sind es. Im besten Sinne, und sie singen zudem den musikalischsten und anheimelndsten deutschen Dialekt.

Sie saugen alles auf und machen etwas neues draus, und doch klingt es vertraut. Sie plündern Historisches, zum Beispiel das 130 Jahre alte Gebet: „Oh Herr, setze dem Überfluss Grenzen, un loss die Grenze überflüssisch werde“. Bei den Fööss wird es zum beschwörend-betörenden A Capella Gesang der Güteklasse 1 a. Dann wieder lässt Bömmel Lückerath die Gitarre bratzen, dass es fast an die vergleichsweise jungen Herren von BAP gemahnt, und die „Weltmeister vum Rhing“ feiern in einer furiosen Rockhymne fröhliche Urständ. Seit Tommy Engel 1994 ausgestiegen ist, wechseln sich die Leadsänger öfter am Mikrophon ab, und das bringt Farbe in den eh schon sehr bunten musikalischen Kosmos des Septetts. Ob Erry Stoklosa, ob Peter Schütten, ob Kafi Biermann oder Bömmel Lückerath – alle prägen die Songs mit ihrem ganz eigenen Gefühl. Und sogar Drummer Ralph Gusovius übernimmt einmal den Part des Leadsängers.

Irgendwann entdeckt Peter Schütten im Publikum eine rotweiße Fahne, die er sich mal eben kurz ausleiht. Sich einhüllen und daheim fühlen ist eins, vor allem wenn der Rheinstettener Publikumschor so richtig aufdreht. Was aber kein Wunder bei Hymnen wie „Rheinhotel“ ist, in denen noch mal mit viel Pathos aber unkitschig die „Flower-Power-Zeiten“ beschworen werden. Dass am Ende dann die alten Hits wie der große, große Gospel-Gesang über das „Wasser vun Kölle“ und „In unserem Veedel“ kommen müssen, damit sich alle glücklich in die Arme sinken können, ist Ehrensache. Die Bläck Fööss sollten öfter weite Betriebsausflüge machen. „Do verstonn se euch nit.“ Quatsch!