„Ich schätze Ihren IQ auf 40“

Sarah Bosetti, Tollhaus, Karlsruhe, 11.2.2022

Sarah Bosetti muss eine brandgefährliche Frau sein. So gefährlich, dass sich kürzlich der CDU-Politiker Arnold Vaatz lächerlich machte, indem er wegen eines Bosetti-Beitrags den Rücktritt der gesamten ZDF-Spitze und eine Stellungnahme des Rundfunkrates forderte. Ein Traum für Kabarettistinnen, der sich trefflich ausschlachten ließe. Aber Sarah Bosetti beweist Größe, indem sie bei ihrem Auftritt im Tollhaus diesen Zensur-Versuch erst gar nicht erwähnt.

Ihr geht es mehr um die kleinen Kläffer, die ihr im Internet täglich ihren dumpfen Hass entgegen brüllen, dokumentiert im 2020 erschienenen Buch „Ich habe nichts gegen Frauen, du Schlampe“, auf dem ihr aktuelles Bühnenprogramm basiert. 

Der Hass verortet sie in drei Kategorien: Hass auf Frauen, auf Ausländer, auf „die da oben“. Was tun letztere? Eine Mail hat ihr tiefe Einsichten verschafft: „Die da oben entscheiden, und wir müssen kuscheln“. Auf der Tastatur ausgerutscht? Tja, mit der deutschen Sprache haben die Retter des Abendlandes gelegentlich ihre Schwierigkeiten. Bosettis Kabarett ist im weitesten Sinne denn auch eine Dokumentation des geistigen Zustandes am Rand der Gesellschaft, geht aber darüber hinaus. Vielleicht interpretiert man ein wenig zu viel hinein, wenn man sagt, dass sie stellvertretend für die Zivilgesellschaft den Dreck wegräumt. Zumindest aber gibt sie Denkanstöße, wie man

diese harte Arbeit angehen könnte, in dem sie Liebesgedichte aus den Mails der kleinen Kläffer formt. Deren Weltbild sich in Sätzen wie diesen ergießt: „Eine Frau überlebt nicht einmal 24 Stunden in der Wildnis, wenn sie ihre Tage hat und ihre Blutspur vor einer Gruppe hungriger Wölfe durch den halben Wald führt. Ohne Mann kann die Frau einfach nicht lebensfähig sein.“ Ihre Retourkutsche ist elegant, empathisch und zeugt gar von einer Spur Mitleid mit dem armen Manne: „Der Wolf, der ist ein scheues Tier. Er meidet Menschen, wenn er kann Und ist damit – ich sprech’ von dir! Klüger wohl als mancher Mann.“

Es ist diese poetische Form, die so wirkungsvoll rüberkommt: Sie bleibt immer ruhig. Vordergründig fast schon einschmeichelnd, lässt sie aber auf der anderen Seite unterschwellig die eiskalte und berechtigte Arroganz einer furchtlosen Intelligenz spüren, die sich dann eben auch leisten kann, einen Satz wie „Ich schätze ihren IQ uaf etwa 40“ als „netten Kommentar“ wegzustecken. Für die weniger netten hat sie sich etwas anderes ausgedacht: „Ich habe einen Ordner für die Mails, den ich ‚Gauland‘ genannt habe“.

Dort dürften auch die Auswürfe der Querdenker landen, die „das Infektionsschutzgesetz Ermächtigungsgesetz nennen.“ Wo sie selbst steht, erklärt sie anhand eines etwas älteren Textes: „Ich bin für die Corona-Maßnahmen, weil mir Angela Merkel monatlich 10.000 Euro von ihrem Privatkonto überweist“. Das war doch sowieso klar, du Schlampe.