Unterkühlt hitzig

Kari Bremnes, Tollhaus, Karlsruhe 23.1.2004

Es ist ein merkwürdiger Kontrast: Eher spröde wirkt die Frau, die da auf der Bühne steht. Wie ein Fels in der Brandung, manchmal im Wortsinne. Mit der Musik fließt nur die Stimme, sie ist das Zentrum. Kari Bremnes selbst ist das Auge des Sturms. Der Ruhe punkt, wenn der Orkan tobt. Links an den Tasten Bengt Egil Hannse, rechts Percussionist Helge Norbakken. Zusammen schaffen sie eine Musik, die man höchstens in ihrer sparsamen Instrumentierung als spröde bezeichnen könnte. Aber auch diese Vermutung geht fehl. Denn Tasteninstrumente und Percussion sind bei ihnen nicht Mittel zum Zweck, Songstrukturen bis auf ihr Skelett freizulegen. Das Gegenteil ist der Fall: Opulenz statt Sparsamkeit.

Wobei Opulenz nicht mit Bombast zu verwechseln ist. Interessant übrigens gestaltet sich für den Kenner der Vergleich zu den jeweiligen Studioversionen, die bisweilen mit ganz anderen Klangcharakteristiken arbeiten. Um dann erstaunt festzustellen, dass die heftigen E-Gitarren eigentlich nicht wirklich fehlen. Man denkt sie einfach mit. Kari Bremnes stammt von den Lofoten, den stürmischen Inseln ganz oben im Norden Norwegens. Ihre Songs haben viel mit salziger Meerluft zu tun, mit einem Licht, das zu bestimmten Jahreszeiten eher diffus und selten wirklich hell ist. Ja, alles bemühte Klischees, aber es stimmt. Ungefähr. So wie auch das Wort „Songs“ nur ungefähr stimmt. In dem gut zweistündigen Konzert gibt es nicht einen Song, der nach dem Schema Strophe-Refrain Strophe funktioniert. Durch die Reduzierte Besetzung gibt es auch keine instrumentalen Soli, sondern nur Klangflächen, rhythmische Pattern, diem mit Feingefühl, Sinn für dramatischen Spannungsaufbau und einem traumwandlerischen Gespür für Klangfarben in Szene gesetzt werden. Man nehme die Vertonung von Edvard Munks berühmtestem Bild „der Schrei“ („Skrik“), die sich über Minuten zu einem Breitwandpanorama geradezu bedrohlicher Klangfülle aufschwingt, die Stimme immer souverän oben auf. Und hier zeigt sich auch, wie gut die kraftvolle norwegische Sprache dieser Programmmusik im besten Sinne steht.

Das meiste im Programm singt sie englisch, lange hat sie mit sich gerungen, die Texte übersetzen zu lassen. Die englischen Texte offenbaren wunderbare Geschichten, schlüssig erzählt und oft auch amüsant, eine andere Seite der Sängerin: „A fantastic Time already“ etwa erzählt vom Versuch eines Paares, in Paris seine Ehe auf Vordermann zu bringen. Hier zeigt Kari auch eine in der Intonation hörbare Ironische Distanz zu den handelnden Personen. Und dennoch: Ein Quentchen Kraft geht in er Fremdsprache zugunsten internationaler Verständlichkeit verloren. Ob’s mehr Fans bringt? Der wahre Fan wird lieber norwegisch an der VHS lernen.