„Ich spiele Jack“

Amerkung: Mit Jack Bruce sprach ich zur Zeit seiner Zusammenarbeit mir Robin Trower und Gary Husband. Es war auch die Zeit, in der er in der britischen Presse mal so richtig abgekotzt hatte über Led Zeppelin. Da musste ich als alter Jimmy-Page-Verächter einfach nochmal nachhabken. Und Jack Bruce hat mir genau das erzählt, was ich hören wollte. Ich weiss, das ist biliger Klatsch- und Tratsch-Journalismus, aber es war mir ausnahmsweise ein Vergnügen, den alten weisen Cream-Bassisten ausführlich zu ziteiren.

Heavy Rock, Jazz, Blues, Fusion, Avant-Garde, World Music, R & B, Free Jazz oder auch einfach mal Rock. In alle diese Schubladen wurde das Lebenswerk des Jack Bruce, der am 14. Mai 66 wird, schon hineingesteckt. Bruce, der seinen anhaltend guten Ruf bei Musikliebhabern jeder Couleur auch dieser Vielfalt verdankt, hat Schubladendenken immer abgelehnt. Wer’s von ihm bestätigt haben will, kriegt von ihm postwendend ein druckreifes Zitat: »Ich würde erstmal sagen: ich spiele keinen Jazz, ich spiele Jack.«

Wiedererkennbar, frei, dynamisch, melodienreich, zugleich mehr der Intuition denn der Suche nach Perfektion folgend. Er spielt auch Jack, wenn er Rock spielt. Wenn er sich wieder mit Robin Trower zusammentut und damit ein weiteres Mal (zusammen mit Drummer Gary Husband) die Möglichkeiten des Powertrios auslotet. Dass Fans und Kritiker das Album Seven Moons mit Cream, West Bruce & Laing oder Bruce, Baker, Moore vergleichen, amüsiert ihn erwartungsgemäß: »Das ist doch deren Problem, nicht meines. Da gibt es doch auch keine Konkurrenz, wir spielen doch nicht Fußball in der Premier League! Wir spielen einfach Musik zusammen, hoffentlich. Wie Tony Williams immer gesagt hat: Du spielst dich selbst, es ist egal, wo du herkommst. Und wenn du ehrlich bist, bringst du alles, was du hast, mit in die Musik ein«. Die Motivation, bei seinen musikalischen Entdeckungsreisen immer wieder auf die Triobesetzung zurückzukommen, hat mit seinen Anfängen zu tun: Der junge Jack Bruce war ein Bewunderer des amerikanischen Jazz-Saxophonisten Ornette Coleman, der auf ein Piano in seiner Besetzung verzichtete. »Das war freie Musik, die war nicht durch Harmoniefolgen eingeengt, wie das mit einem Piano wäre, denn dann muss man die Wechsel mitspielen. Als ich dann mit Rock oder Blues anfing, nahm ich diese Idee einfach mit«. Clapton, der Steve Winwood dabei haben wollte, sei anfangs gar nicht glücklich gewesen, »aber ich bestand darauf, dass wir zu dritt bleiben. Das ist eine Herausforderung, man kann sich in einem Trio einfach nicht verstecken«.
Dass Jack und Robin Trower nach ihren beiden Kooperationen BLT und Truce vor über 25 Jahren so lange nichts folgen ließen, hatte ganz einfache Gründe. Während BLT sowohl kommerziell und musikalisch erfolgreich war, schwächelte Truce in auf beiden Gebieten. »Wenn die gut gewesen wäre und genauso viel Spaß gemacht hätte wie die erste, dann hätte wir sicherlich weitergemacht. Dann wollte Robin eigentlich mit mir live spielen, aber wir hatten nicht genug eigenes Material, und in diesen Tagen wollte ich meine alten Sachen nicht spielen. Ich war damals einfach noch nicht so weit, die alten Klassiker wieder zu spielen«.
Von Jack Bruce stammt der schlaue Satz: »Bei Cream wollten wir nicht das Publikum, sondern uns gegenseitig beeindrucken«. Seven Moons klingt trotz seiner Grundstimmung und dem Sound, der an Cream erinnert, eher relaxed und altersweise. Drei Menschen in einem Proberaum oder in einem Studio, die es einfach nur fließen lassen. Genauso wurde das Album auch aufgenommen. Altmodisch, so wie auch Cream schon 90 Prozent ihrer Songs aufgenommen haben. Zuerst spielten Bruce, Husband und Trower die Basic Tracks zusammen live eine, danach kamen die Soli und die Stimme, fertig. Aber, bestätigt Bruce, gilt in gewisser Weise für jede Konstellation das, was er dereinst über Cream gesagt hat: »Zuerst einmal spielt man für sich selbst, du musst dich selbst beeindrucken! Dann kommen die anderen Jungs in der Band, und wenn es das Publikum zufällig auch mag, dann ist es ein Bonus. Ich denke, alle wirklich guten Bands machen das zunächst einmal nicht, weil sie für ein Publikum spielen wollen. Wenn Du das tust, bist du eine Popgruppe, oder ein Leichtgewicht, denn dann musst du die größtmögliche Schnittmenge des Geschmacks ansprechen«.
Vielleicht hatte er das gemeint, als er kürzlich Led Zeppelin öffentlich als Schrottband bezeichnete (»Fuck Off Led Zeppelin, You’re Crap«). Später ruderte er wieder ein paar Millimeter zurück und erklärte, es habe wohl der Neid des Pioniers aus ihm gesprochen. Schließlich hätte Cream und Hendrix den Boden für Led Zeppelin bereitet. Ja, er wisse schon, dass er auch einen Teil seiner eigenen Fans ärgere, wenn er Zeppelin kritisiere. Und schon regt er sich wieder auf: »Sie sind überbewertet, und genau das meine ich mit „Crap«. Cream seien die erste Band gewesen, die eingeladen wurde, um bei dem Tribut Konzert für Ahmet Ertegun Ende 2007 zu spielen: »Zu dem Zeitpunkt hatte noch niemand Led Zeppelin erwähnt, weil sie ja auch nicht zusammen waren. Aber sobald sie einbezogen wurden…. Na ja ich würde nicht gerade sagen, dass sie es gekapert haben. Aber dann wurde es eben in die O 2 Arena verlegt, und Eric und ich wollten nun wirklich nicht da spielen. So wurde es dann eine Led Zeppelin Show. Sie taugen nichts, aber sie sind sehr populär. Als ich anfing, habe ich viele sessions mit Jimmy Page gespielt: Donovan, Merseybeat-Sachen, Popsongs. Er hat sich davon nie wirklich befreit. Für mich ist er immer noch wie ein Session-Musiker. Ich habe sie als Band nie geschätzt. Aber es gibt eben Bands, wenn man gegen die was sagt, ist es wie wenn man als Katholik Christus kritisiert – man kritisiert Zeppelin nicht. Das läuft doch einfach so: Sie müssen großartig sein, denn sie sind Led Zeppelin. Ich denke, das Beste was je über Zeppelin gesagt wurde, war in einer Simpsons Folge. Da sind sie oben im London Eye und Homer guckt runter und sagt: Schau mal, da ist Jimmy Page, der Mann der mehr schwarze Musik geklaut hat als irgendjemand anderes«.