Wednesday Night Fever

The Cat Empire, Tollhaus- Zeltival, Karlsruhe, 22.7.2009

Eine Viertelstunde lang etwa gibt es den Soundtrack zu entfesselter Bewegungsenergie, ohne dass der brutal sympathische Felix Riebl (Typ leicht zwielichtiger Traumschwiegersohn) irgendeine Aufforderung zum Tanze erteilt hätte. Dann schlurft „So Many Nights“ herein und zeigt in vier Minuten noch deutlicher die Qualitäten dieser Band. Das ungehobelte, trockene Arrangement sperrt sich gegen jede Hochglanzveredelung, obwohl der Song mit seinem lässigen Groove und seinen wirklich coolen Bläsereinwürfen, mit seinem leicht ironischen Dreh das Zeug zu plüschiger Ausgestaltung hätte. Aber nein: Da ist nur Rhythmus, ein beiläufiges Piano, das alles zusammenhält, ein rotziger Sänger, dem der Schalk aus den Augen blitz, und der einfach nur spielen will. Der auch mal zwischendurch Percussions bedient, wenn gerade nichts zu singen ist,.und damit noch en bisschen zusätzliche Kohle in die Glut wirft.

Man hört der Musik von The Cat Empire an, woher sie kommt: Vor rund zehn Jahren fing es an in den Jazz-Nightclubs von Melbourne. Felix Riebl, Keyboarder Ollie McGill und Bassist Ryan Munro befeuerten dort ihr Publikum mit einer Melange aus jazzig-rockigem Ska. 2001 wurde die Besetzung aufgestockt, Trompete und das lustige Geräuschearsenal eines DJ rundeten den Spaß ins nach allen Richtungen offene ab. The Cat Empire sind skrupellose Klauer im besten denkbaren Sinn. Sie bauen ihr musikalisches Imperium aus Versatzstücken von Jazz, HipHop, Electro, Funk, ohne wirklich Spezialisten auf irgendeinem diese Gebiete zu sein. Und das sit gut so und schafft schier unendliche kreative Freiräume. Die werden genutzt, und die Band kling auf der Bühne, als erfinde sie die Musik während dem Spielen. Mit kindlicher Naivität nehmen sie sich, was sie brauchen und spielen es so, wie sie glauben, dass es passt. Manchmal kantig, manchmal fast etwas zu schrill, aber immer einer geheimnisvollen Dramaturgie folgend, die das schwitzende Volk zur Anwendung archaischer und Erprobung neuer Formen des Ausdruckstanzes anstachelt. Vielleicht hat es auch mit der australischen Herkunft zu tun. Ein Land ohne wirkliche eigene Pop-Musiktradition mit sehr vielen Einflüssen von überall her scheint der ideale Nährboden zu sein für kollektive Entdeckerfreude Die Band sagt „Save the analysis for later! Dance!“.

Und so geschieht es auch an diesem Abend im Tollhaus-Zelt, an dem die Australier auf ein junges Publikum treffe, das bereit ist, sich trotz höchster Luftfeuchtigkeit in Stücke zu reißen. Auch in vermeintlichen Verschnaufpausen wie „Till the Ocean Takes us all“. Da gurrt das Falsett, da will eine Ballade wohl werden, aber schon Sekunden später schleicht sich ein zuckerbutterweicher Rap durch die Hintertür. Fast schon schunkelt der gefesselte Hörer einer neuen Erlösung entgegen, als oben auf der Bühne die Zügel wieder angezogen werden und die brodelnde Stampede galoppiert. Die Aufforderung „Show me your hands“ nach etwas einer Stunde Spielzeit wirkt da schon fast wie Selbstironie. Weiter, weiter: „Hello hello“ mixt karibisches Geblässe mit höchst amüsantem Rap, und lässt Freiräume für merkwürdige Toncollagen aus den Plattentellern. Trompete und Posaune jaulen sich zusammen und gegeneinander einen ab, die Temperatur steigt. Hört an nur mit halbem Ohr hin, wird man in einen Strudel aus Tönen gesaugt, der alles wie die Variante einer einigen großen Ur-Musik erklingen lässt. Zog da nicht gerade ein Trauermarsch durch die Straßen von New Orleans? War da nicht gerade etwas obskures rückwärts abgespieltes vom weißen Album der Beatles? Hat da nicht Amelie aus Paris ein Taschentuch fallen lassen? Braucht noch jemand eine Sambagurke. „Es war schön, euch wieder alle hier zu sehen“, sagt Felix Riebl gegen Schluss. Und es klingt so, als meine er jeden einzelnen der rund 1400 abgekämpften Zuhörer. Die selbstredend noch lange nicht genug haben, und mit einem Zugabenmarathon sondersgleichen belohnt werden. In dem übrigens auch Michael Jacksons „Billy Jean“ auftaucht. Entglättet, in Falten gelegt und renaturiert, quasi- und damit ausnahmsweise erlaubt.