Colosseum Live (Re-Release)
Esoteric Recordings / VÖ: 29.7.2016, Originalveröffentlichung 1971
Wenn man Anfang der 70er-Jahre von Jazzrock sprach, war auch immer von Colosseum die Rede, die in diesem unscharf umrissenen Genre das mithin breiteste stilistische Spektrum zuliessen. Der Drummer Jon Hiseman, eine zum Rock hingezogener Jazzer, der den Pomp des Double-Bassdrum-Sets auch mit Musik füllen konnte.
Die Band, die in ihren langen Stücken vom erdigen Blues hin zu orgelbetriebenen progressiven Rock-Verschachtelungen vorstieß, getragen von der glasklaren Orgel Dave Greenslades, und kontrastiert vom Dick Heckstall-Smiths Saxofon, das ihnen den Jazz einhauchte, und überall hin durfte, nur nicht zum gepflegten Wohlfühl-Gebläse. Das ursprünglich 1971 als Doppelalbum erschienene Livedokument war das letzte Lebenszeichen der Band, die sich danach auflöste und erst 1994 reformierte. Ursprünglich als einfache CD zu haben, wird es jetzt erweitert um eine Bonus-Scheibe, die bislang nicht Gehörtes aus jenen Anfang 1971 in Manchester und Bristol Konzerten enthält: Jon Hisemans Schlagzeugsolo ›Time Machine‹ und die komplette ›Valentyne Suite‹, die bis heute ein Kernstück eines jeden Colosseum Konzertes ist. So verschachtelt komponieren, und so inspiriert spielen, als habe das alles einen zwingenden emotionalen Zusammenhang – das ist die Stärke der Band. Es sind wilde Aufnahmen. Ausdruck und Spielwut triumphieren, auch wenn gelegentlich die Stimme wackelt und manche Passage nicht ganz so leichtfüssig swingt, wie es der Komposition angemessen wäre. Im Booklet, das die Geschichte der Band und die Umstände der Aufnahmen erzählt, wird Jon Hiseman mit den Worten zitiert: »Die ganze Band hat das Gefühl, dass wir erst bei der Reunion 1994 die Sachen so spielen konnten, wie sie ursprünglich gedacht waren. Dennoch: 45 Jahre danach bricht sich hier eine geradezu unheimliche jugendliche Energie Bahn«. Genaus das macht das Album – inklusive der Bonustracks – immer noch zu einem der aufregendsten Live-Dokumente dieser Zeit.
9/10