ChaCha aus der Kniebundhose
Die CubaBoarischen im Tollhaus, Kalsruhe, 18.4.2015
Zünftig gekleidete bayrische Dorfmusikanten marschieren standesgemäß hinter der großen Trommel auf die Tollhaus-Bühne. Was ist das? Der Musikantenstadl erobert die soziokulturellen Zentren?
Aber nein: Immerhin tragen die gestandenen Mannsbilder ja Panama-Hütchen auf ihren urbayrischen Köpfen, ein deutliches Signal für das Fortschreiten der musikalischen Globalisierung. Die CubaBoarischen, die da am Freitagabend aufmarschierten, sind schon seit 15 Jahren eine der vielen Blüten der „neuen Volksmusik“, die munter und ungeniert die Musik aller Herren Länder mit ihrem eigenen Volksmusikerbe in eine Topf wirft. So wie Hubert von Goisern, so wie Global Kryner oder La Brass Banda. Die CubaBoarischen sind 2000 in Oberbayern von Mitgliedern der Vagener Dorfmusikanten gegründet worden, nachdem die bei einem Kuba-Urlaub ein musikalisches Aha -Erlebnis hatten: sie stellten fest, dass sich traditionelle bayerische Volksmusik aufs zauberlichste mit kubanischen Klängen paaren lässt. Auf vielen Kubareisen haben die Bayern die dortige Musik im Zusammenspiel mit den Einheimischen in sich aufgesogen und zu eigen gemacht.
Diesen Stil hat die hochprofessionelle Kapelle inzwischen so perfektioniert, dass nie der Eindruck entsteht, man gebe hier mühsam Angelerntes von sich. Im Gegenteil: Tuba und Latin Percussion, Akkordeon, Posaune, Trompete, Bass und Gitarre sind Teil eines gleichberechtigten Ganzen, das alle Möglichkeiten von Symbiose und Kontrast ausleuchtet und trotz solistischer Glanzleistungen vor allem als brodelnde, mitreissende Ensemblemusik funktioniert. Das ist die Voraussetzung, um ständige Wechsel zwischen der mit Leichtigkeit einherflatternden karibischen Rhythmik und dem geradlinigen Beat der bayrischen Dorfmusik so hinzukriegen, dass der staunende Zuhörer glauben mag, diese Fussion sei schon vor Urzeiten entstanden. Wenn dann noch ein so bedeutungsschwerer Refrain wie „Heit gibt’s a Rehragout“ ertönt, kommt die musikalische Völkerverständigung mit der allergrößten Selbstverständlichkeit daher. Eine kulturelle Differenz allerdings gilt es noch zu überwinden: Die bayrische Rhythmik löst einen konvulsivischen Schunkelreflex aus, die kubanische nicht.
„La Negra Tomasa“ von Compay Segundo, bekannt durch den „Buena Vista Social Club“ ist eines der gelungensten Beispiele, wie die oberbayrische Klarinette sich aus ihrer heimischen Anmutung fließend, schlängelnd in Richtung Kuba bewegt, um sich dort vollkommen heimisch zu fühlen. Umgekehrt lebt der Unterhaltungswert des Abends nicht nur von Verbindungen, sondern auch von radikalen Kontrasten. Etwa in einem urbayrischen Couplet zm Thema Brautschau, vierstimmig vorgetragen, während die Leinwand hinter den Musikern vier nicht mehr ganz taufrische kubanische Männer zeigt. Die Bayern kommen nach erfolgloser Brautschau zu dem Schluss: „Mir mochn’s unserm Voder nach, der is a ned verheirad‘ g’wesen“. Das erinnert an die legendären Biermösl Blosn, die schon vor Jahrzehnten als Pioniere einer – rein bayrischen – „neuen Volksmusik“ unterwegs waren, als es diesen Begriff noch nicht gab.