Der Geschichtenerzähler

Georg Danzer im Tollhaus, Karlsruhe, 2003

Auf keinen Fall wolle er zum Berufsjugendlichen werden, hat Georg Danzer jüngst im BNN-Interview gesagt. Auf seiner Tournee, die jetzt im Karlsruher Tollhaus Station machte, stellte der 56jährige Liedermacher eindrucksvoll unter Beweis, dass er sich durchaus „altersgemäß“ zu benehmen weiß, ohne gleich altbacken zu wirken. Danzer mit Gitarre, nur begleitet von seinem Gitarristen Ulli Bäer, zwei Stühle, zwei Gitarren und Lieder und Geschichten aus 30 Jahren. Und siehe da, es passt: Nichts davon klingt aus dem Rahmen gefallen, nicht ein einziges Mal denkt der Zuhörer:„nur aus der Zeit heraus zu verstehen“.

Klar, das Liebeslied „Des is mei Frau“ ist von 1999 und zeugt von einer gewissen reifen Milde, wie der Künstler umständlich und höchst amüsant erläutert. Dagegen ist das Kurzzeit-Aussteiger-Drama „Griechenland“ von 1981 dem 19jährigen Buben nachgedichtet und porträtiert einen jungen Springinsfeld, der seine Kerze an beiden Enden anzündet. Aber sie sind wiedererkennbar als ein und dieselbe Person: Freiheitsdrang, eine erträgliche Dosis Melancholie und ein ironischer Blick auf sich selbst machen Danzers autobiographische Songs so zeitlos schön. Und die anderen, die reichen vom finsteren Bauernkriegsdrama „Ruhe vor dem Sturm“, das trotz kleiner Besetzung schon fast Pink Floydsches Pathos entfesselt bis hin zu den kleinen, einfach nur witzigen Sauereien wie der Geschichte vom Sado Maso-Freund, dem Hofrat Dr.Müller. Oder dem Frauenmörder Wurm, der in einem Wien agiert, das etwa so aussehen muss, wie das Wien des „Dritten Mannes“. Und tatsächlich, ins gezupfte Gitarrenintro will man ohne große Mühe den Orignal-Zitherklang des „Harry Lime Themas“ von Anton Karas hineinhalluzinieren.

Und dann diese Geschichten, die er erzählt: Von der Großmutter, die soviel kochte, dass das übrige Essen winters in der kühlschranklosen Wohnung vorm Fenster gestapelt wurde, bis es drinnen zu Weihnachten zappenduster war. Oder das Saxophonsolo, das zu einem Stück gehörte, das der Rundfunk nicht so gerne spielen wollte, aber das Saxophonsolo dann doch als Untermalung für Sportberichterstattung verwendet wurde. Danzer erzählt all das sehr umständlich und gewunden, assoziativ vor- und zurückspringend, niemals auf Effekt oder Pointe hin. Und drum wirkt es so echt, als ob es ihm gerade einfalle. Zum höchsten Vergnügen eines Publikums, das über Jahrzehnte geübt hat, zuzuhören. Schade, dass so wenige Jüngere den Weg zum Danzer georg gefunden haben. Überfordert hätte er sie nicht. Und gelangweilt schon gar nicht.