Urgestein in Bestform
Deep Purple, Eppelheim, Rhein Neckar Halle, 27.9.1996
Der 42jährige Bankkaufmann Horst, der selbst mal jahrelang Rockmusik gemacht hat, ist mit seinem 15jährigen Sohn gekommen. Der Filius soll mal sehen und hören, wie das damals war, als es weder Grunge noch Hardcore noch Trashmetal gab. Damals in den goldenen Siebzigern, als das alles Hardrock hieß und das unsinkbare Flaggschiff Deep Purple. Seit die Herren 1984 mit „Perfect Strangers“ ihre zweite Karriere starteten, hatte das einst stolze Schiff schon des öfteren ein Leck. Das letzte hieß Ritchie Blackmore und tat sich vor drei Jahren auf. Entweder Sänger Ian Gillan oder er, das war die Entscheidung, vor die der launische Genius die Band stellte.
Die Band entschied sich für Gillan und tat gut daran. An Bord jetzt der amerikanische Ausnahme-Gitarrist Steve Morse, der das Leck aufs gruppendienlichste füllt. Einzig sein jugendliches Alter von lediglich 42 Jahren könnte man ihm vorwerfen. Aber vielleicht ist er es ja, der 25 Jahre alte Juwelen wie „Fireball“ wieder klingen läßt, als hätten Deep Purple gerade eben den Hardrock erfunden. nach diesem fulminanten Einstieg zeigen sie den rund 4.000 Fans der Kernzielgruppe 20-50 Jahre, wie man ein Oldie-Programm ohne jede Peinlichkeit inszenieren kann. Da werden eher in Vergessenheit geratene Stücke wie „Pictures of Home“ vom Klassiker „Machine Head“ ausgeggraben, oder „No one came“ vom 71er Werk Fireball. Und das kommt – Überraschung!!! -völlig umarrangiert im Funky-Rhythmus daher, daß es gerade so kracht. Was schließen wir daraus? Eine Band, die alte Stücke komplett umbaut, die ist nicht mit Geld auf die Bühne gelockt worden, denen macht das Spaß. Sichtbarer Ausdruck: Wenn Orgel-Vergewaltiger Jon Lord und Steve Morse zum Doppelhöhenflug anheben, dann schauen Sie sich an, haben vielleicht sogar aus der Nähe betrachtet ein zufriedenes Grinsen auf den faltigen Gesichtern. Bisher war es bei Deep Purple streng verboten, seine Mitmusiker anzuschauen. Und auch Sänger Ian Gillan, der seine Kräfte sehr wohldosiert einsetzt, hält gelegentlich ein Schwätzchen, und vergißt darüber sogar einmal eine Ansage. Nachdem das Publikum erstmal mit Grundnahrungsmitteln wie „Black Night“ gespeist ist, darf nun zu den Werken des Jahres 1995 geschritten werden- und da zeigt sich, daß es auch bei Deep Purple noch Entwicklungen gibt, im Detail zwar, aber hörbar: Steve Morse bringt amerikanisches Bluesrockfeeling in die Band, Songs wie „Rosa´s Cantina“ geben Ian Gillan die Chance, auch mal seine dunklere, bluesigere Seite zu zeigen. Und bei den neuen Songs kann Morse sein ganzes Handwerk ausspielen. Stilistisch ist er Lichtjahre entfernt von Vorgänger Blackmore, und deshalb gibts auch kaum Solo-Imitate. Nur gelegentlich ein kleines Blackmore Zitat, wer will kann darin feine Ironie heraushören. Die die Band selbst dann auch braucht, wenn es im Schlußteil heißt: „Give the People what they want…“ Der Katalog der alten Kracher ist übermächtig, harte Entscheidungen sind gefordert. „Child in Time“ bleibt weg, da war so manch einer enttäuscht. Dafür gibts natürlich „Smoke on the Water“, und „Speed King“, von Ian Gillan als Schlaflied für seine Tochter angekündigt. Und dann gehen die Lichter erstmal aus, und während viele immer noch auf „Child in Time“ hoffen, wirft Jon Lord schon wieder die Hammond an und brät das fette Intro zu „Perfect Strangers“. Man sieht und hört es ihnen an, sie sind stolz drauf, auch in den 80ern noch einen Klassiker gelandet zu haben. Und als sie zum zweiten Zugabenblock herausgeklatscht werden, trauen sie sich richtig was: Mit „Hey Cisco“ von der aktuellen CD zeigen sie nochmal, dass sie auch 1996 noch den Hochgeschwindigkeits-Turbo-Hardrock bei dem jeder zeigt wie schnell und super und klassisch ausgebildet er auf seinem Instrument doch ist…., ja… daß sie den eben auch noch drauf haben. Danach klingt „Highway Star“ dann geradezu langsam und entspannt. Horst ist zufrieden. „Eine ordentliche Kapelle!“ meint er. Sein Sohn widerpricht nicht