Das spät berufene Hippie-Mädchen
Melanie Dekker im Jubez, Karlsruhe, 15.5.2015
In Franken, erzählt Melanie Dekker ausführlich und freudestrahlend, da seien die Leute einfach anders. Locker drauf halt. Zweimal auf den Tisch klopfen vertreibe in dieser wunderbaren Region Sorgen, Ärger und „Scheiss“. Dekker müsste eigentlich Fränkin sein. Die 43jährige Singer/Songwriterin aus dem kanadischen Vancouver wirkt bei ihren Konzerten so, als sei sie ein Teenager, Botschafter des Sommers, der guten Laune und von Liebe und Frieden gleichzeitig. Da ist es denn auch kein Wunder, dass sie einen locker-flockigen Song mi dem Titel „Hippie“ im Programm hat, in dem sie als Rezept für Wohlbefinden verkündet „Grab a djembe, and I’ll bring my guitar. The sunshine’s waiting for a jam in the park“.
In Kanada sind Dekkers Songs Radio-Hits der besseren Sorte, etwa „I Said I“ oder „Haven’t Even Kissed You Yet“, die in ihrer naturbelassenen Melodieseligkeit genau diese seltene Mischung zwischen intelligenter Radiotauglichkeit und nachhaltiger Wirkung entfalten: Ohrwürmer ohne Nervfaktor.
Ihr begeisterungsfähiges Publikum am vergangenen Freitagabend im Jubez würde ihr überall hin folgen, dem Vernehmen nach tun es einige auf dieser Tour sowieso. Kein Winder, bei dieser extrem sympathischen Bühnenpräsenz und einer Stimme, die Tiefe und Sentiment ebenso glaubhaft rüberbringt wie diese ausgelassene Freude. Irgendjemand hat einmal gesagt, sie habe eine Stimme wie Schokolade, und da ist was dran. Angesichts ihrer musikalischen Harmoniesucht, die kaum Grautöne kennt, könnte bei Überdosierung leicht zu Übersättigung führen, wären da nicht ihre Begleiter Stefan Rapp (Gitarre und Bass) und Eddy Cichosz (Percussion). Sie bewahren Dekker mit ihrem vielseitigen und farbenfohen Spiel vorm Überschreiten der Kitschgrenze. Rapp setzt sein Instrument als großen Lautmalkasten ein. Er kann sowohl den kosmischen Kurier spielen, als auch die Musik mit knarzendem Country-
Twang wieder auf den Boden zurückholen. Wo Cichosz mit seinem kleinen, aber effektvollen Cajon-Schlagzug eh schon verankert ist. Der treibt „Worry gets You Nowhere“ mit Counry-Eischlag und straffem Trainbeat voran, und lässt den Dampf wieder raus, wenn anschließend in „Meant To Be“ ein Quäntchen bittersüße Melancholie aufscheint. Das raffinierte Arramngement täuscht zunächst Kuschelwärem an, bis Stefan Rapp nach und nach die Rock-Sau rauslässt. Dezent und wohlerzogen selbstverständlich und mit diesem Sound, der zwar aufgekratzt, aber nicht aggressiv wirkt.
Zwischen die musikalischen Kleinode packt Dekker launige Anekdoten aus dem Tourleben. Sie schönste ist die von ihrer Begegnung mit Chaka Khan, für die sie einst das Vorprogramm bestritt. Sie hatte sich den Kopf zerbrochen, wie sie wohl dieser Heldin ihre Aufwartung machen könnte, und als die mal eben eine rauchen ging, nutzte sie die Chance und rauchte mit. Was ihr als Nichtraucherin gar nicht bekam, und beinahe ihren eigenen Auftritt versaut hätte. Aber immerhin: Sie hatte mit Chaka Khan eine geraucht. Da ist sie wieder: Melanie Dekker, der ewige Teenager.