22.7.2021

Heute wäre mein Vater Ernst Zimmer 104 Jahre alt. Er war ein großer Maler und Zeichner, ein Kunstlehrer der „alten Schule“ (ich hätte ihn nicht gern als Lehrer gehabt), aber auch ein Mensch, der Neuem aufgeschlossen war. 1968 habe als Zwölfjähriger mit ihm zum ersten Mal die documenta in Kassel besucht, später haben wir dort zusammen Beuys live erlebt, an der Honigpumpe pumpend.

Später habe ich ihn ein paarmal zu Kunsterzieherkongressen begleitet, als Dolmetscher (sein Englisch war nicht so toll) und damit ich ihm zeige, wie man stilvoll raucht, um die Damen von Welt zu beeindrucken, mit denen er dann Konversation pflegte. Er hat mir gegen den Widerstand von Mutter und Nachbarn mein erstes Schlagzeug gekauft, hat die Band gegen den Widerstand der Nachbarn im Keller proben lassen und mit Bier versorgt und hat sich geduldig von mir die jeweils neuesten Deep Purple Platten vorspielen lassen. Unvergessen sein Kommentar zu „Highway Star“: „Ja, alles schön und gut, aber das gab’s doch schon mal, von einem Johann Sebastian Bach.“ Ich kenne niemanden seiner Generation, der etwas ähnliches gesagt hätte. Über eines wurden wir uns allerdings nie einig: Ich meinte, die elektrische Gitarre sei die größte Erfindung des 20. Jahrhunderts, er beharrte stur darauf, es sei der Tesafilm.