Vom Leiden vermeintlicher Altruisten

Christian Ehring im Tollhaus, Karlsruhe, 21.1.2017

Es ist bekanntlich so, dass gut gemeint nicht immer das Gute schafft. Insbesondere bei Menschen, die über eine so muskulöse Moral verfügen wie der Bizeps eines Bodybuilders. Christian Ehring, fernsehbekannt aus extra 3 und heute-show, bringt in seinem Soloprogramm „Keine weiteren Fragen“ einen solchen Moralapostel aus dem Bioladen-Yoga-Veganismus-Milieu auf die Bühne. Dieser Kerl muss sich ständig neu justieren, um den Anspruch der eigenen Ideologie mit der Realität, seinem Egoismus und der Umwelt unter eine Hut zu bringen, und verheddert sich dabei erwartungsgemäß aufs Fürchterlichste. Dabei ist er nicht mal unsympathisch, aber zugleich rasend verlogen.

Dieser Familienvater zwingt den 18jährigen Sohn in ein freiwilliges soziales Jahr in ein Slum in Argentinien. Schließlich komme es später im Vorstellungsgespräch gut, wenn der Entscheider erfreut ausruft: „Ich war im gleichen Slum“. Da fängt es im Tempel der selbstlosen Nächstenliebe schon ziemlich laut zu knirschen an. Noch lauter knirscht es, als die Gattin vorschlägt, man solle doch in der jetzt freiwerdenden Einliegerwohnung einen Flüchtling aufnehmen. Act, sinniert der Möchtegern-Altruist, als die Frau sofort ans Werk geht: „Eine schöne Idee, aber es gibt Ideen, die verlieren, wenn man sie umsetzt“. Er könne doch die Wohnung auch als Tonstudio für die Produktion seiner veganen Kinderlieder nutzen, schiebt er vor. Und zack – hat der Kabarettist so nebenbei eine andere Weltverbesserer-Clique im ironischen Würgegriff. Mehr braucht es nicht, weil man sich vorstellen kann, dass irgendwo schon jemand dabei ist, solche Lieder zu komponieren. Da erscheint der Traumflüchtling wie eine Erlösung aus dem eigenen gewöhnlichen Dasein, und sein vermeintlicher Retter sieht sich schon im Glanze seiner eigenen Wohltätigkeit erstrahlen. Die Geschichte ist ein raffiniert konstruierter Handlungsfaden, in dessen Verlauf Ehring noch ein paar andere schräge Figuren des Milieus wegrichten kann, wie zum Beispiel die „selbstgebatikte Waldorf-Trulla,“ die dem geflüchteten Eritreer allen Ernstes erklärt, dass Masernparties was ganz tolles sind. Der aber wundert sich über die Impfverweigerung dieser besonderen Sorte deutscher Eltern und empfiehlt konsequenterweise gleich Ansteckung mit Typhus und Cholera. Und dann der Schlag ins Kontor des Helfers, der sich schon in der Lokalzeitung als vorbildlicher Flüchtlingshelfer gepriesen sieht: Der Flüchtling will die Einliegerwohnung nicht. „Ich war kurz davor, mich bei Facebook mit Viktor Orban zu befreunden“. Der 44jährige Ehring ist ein politischer Kabarettist der alten Schule, im besten Sinne. Abgegriffenes Politiker-Bashing ist ihm ein Fremdwort, einmal lässt er sogar durchblicken, dass ihm die Bundeskanzlerin angesichts realer Bedrohungen wie Horst Seehofer sogar leid tut und fragt sich, warum sie nicht Richtlinienkompetenz pocht. Klar, dass er am Tag der Amtseinführung von Donald Trump ein paar Sätze auch dazu sagen muss. Die aber sitzen: „Präsident Donald Trump, das klingt wie Doktor Lukas Podolski“. Leider habe Obama die Atomcodes nicht rechtzeitig versteckt, „wo Trump sie nie sucht. Unterm Atlas etwa oder hinter dem Lexikon“. Und die AfD? Auch die richtet er treffsicher mit einem Satz weg. Die sei eben nicht – wie einer der ihren behauptete – die Zahnpasta, die man nicht in die Tube zurückdrücken könne. „Das ist nicht ganz das richtige Bild. Die AfD ist wie Hämorrhidensalbe. Eklig, aber wenn man ein Arsch ist, freut man sich darüber“.