Ein lauter, leiser Charismatiker

Fischer-Z im Tollhaus, Karlsruhe, 15.10.2017

Anfang der 80er Jahre waren die Fischer-Z-Hits „Marliese“, „Cruise Missiles“ oder „Berlin“ unverzichtbarer Soundtrack jeder Studentenparty – und gleichzeitige der kommerzielle Zenit der Band um John Watts, der auch danach unzählige Alben unter dem Bandlogo oder seinem Namen veröffentlichte. Den typischen Sound zwischen eingängigem Pop, Rock und Reggae-Grooves hat die heutige junge Band hinter ihm an diesem Abend im Tollhaus perfekt drauf, und Watts selbst, 62 Jahre alt, hat immer noch diese wunderbare Stimme, die sich mühelos vom grummeligen Sprechgesang in schneidende Höhen schraubt.

Watts strahlt das Charisma eines Mannes aus, der es ernst meint, ohne den Zeigefinger zu erheben. Er beherrscht den Spagat zwischen optimistischer, sogar tanzbarer Musik und Texten voll von unaufdringlichen, im weitesten Sinne politischen Statements, ähnlich wie New Model Army – nur ohne anschwellende Zornesader. Waren es damals Themen wie Arbeitslosigkeit oder die Angst vor der nuklearen Konfrontation der Supermächte, so stellt er heute dem Unwohlsein angesichts der Weltenläufte mit dem neuen Song „So Close“ ein vollkommen entspanntes Stück Musik entgegen, das die Idee der Liebe in einer Zeit des Krieges propagiert. Da braucht es dann mal keinen anschwellenden Keyboard-Bombast, der einige der frühen Hits durchzieht. Und doch: Auch die haben den „test of time“ erstaunlich gut bestanden. Hört man heute das mächtige, stampfende und rollende „Batallions Of Strangers“, muss man neidlos den Hut ziehen: Nur weniges, was in den 80er Jahren als hip galt, ist so gut gealtert und reiht sich in diesem Konzert ein in einen Kontext voll zeitloser Musik. 

Watts Songs haben schon immer Geschichten erzählt. Alte Geschichten von Liebe und Verlust wie in „So long“ vom zweiten Album „Going Deaf For A Livin“ – noch vor den großen Hits. Das erstaunlich altersgemischte Publikum schreit textsicher mit, wenn der gut abgehangene Mann da oben mit dem komischen Hut und den karierten Hosen von dem Privatdetektiv singt, der ind seinem Auftrag die plötzlich verschwundene Frau in Frankreich aufgespürt hat. Gegen diese empathische Hymne setzt der Sänger als Kontrast den leisen, selten gespielten Song „Protection“, um dann mit einem aktuellen Riff-Rocker wieder Gas zu geben. Der heißt „Wild“ und klingt auch so. Publikum und Band sind nun auf Dienstgipfelhöhe angelangt, es ist Zeit, alle Contenance fahren zu lassen, die innere Luftgitarre auszupacken und einfach mal loszubrüllen: „Oh Marliese, the waiting almost brought me to my knees. Oh Marliese, You never really thought that I’d leave you in peace….“ Man möchte in die Knie gehen und John Watts danken für diese Musik, die einen für zwei Stunde wieder an die eigene Unsterblichkeit glauben lässt. Wie damals auf der Studentenparty.