The Moveable Feast – European Tour 2013-2015
Choolate Frog Records / VÖ: 5.12.2016
Emotionales Gewitter
Live-Dokumente aus dem Hause Fish sind immer gnadenlos ehrlich: Beiden Konzerten (Karlsruhe 2013 und Würzburg 2014) hört man auf vier CDs den emotionalen Überdruck an, mit dem sich der Künstler in den Ring wirft. Fishs Gesang ist immer gelebtes Leben, in jeder Sekunde. Die solide arbeitende Band trägt ihren Sänger auch durch schwierige Passagen, bei denen die Stimme brüchig wirkt. Das Karlsruher Konzert mag in Sachen Emotion eine Länge vorn liegen, war die badische Metropole doch damals des Sängers Zweitheimat. Die interessantere Setlist allerdings findet sich im Würzburger Konzert, in dessen Mittelpunkt die komplette ›High Wood Suite‹ aus A Feast Of Consequences steht. Noch akzentuierter, noch gravitätischer als in den Studiofassungen wirkt die Konzertdarbietung. Faszinierend ökonomisch gesetztes Riffing erzeugt Lustangst und Großkino-Grusel. „Slainte mhath“ – die erste Reminiszenz an Marillion-Zeiten – wirkt anschließend fast wie eine fröhliche Melodie. Das Intro zu „Vigil In The Wilderness Of Mirrors“ wird zu einer furiosen, aber auch resignierten, gesprochenen Anklage gegen alles Böse – und gleichzeitig Bestandsaufnahme der eigenen Ratlosigkeit angesichts der Kriege überall in der Welt, vorgetragen in grundsympathischem deutsch-schottischen Kauderwelsch. „Ich bin 56 Jahre alt, ich habe mehr Angst als ich hatte vor zehn Jahren“, sagt er. Man mag das für pathetisch halten. Glaubhaft ist es allemal. Denn bei Derek William Dick gibt es keine Trennung zwischen dem Menschen und dem Bühnentier, zwischen privat und politisch. Das kommt rüber. Dazu gibt es 20 Seiten atmosphärisch bebilderte Liner Notes von Fish persönlich.
9/10