Die skandinavische Zuckerbäckerei

Flower Kings im Substage, Karlsruhe, 19.9.2012

Das Bühnenbild signalisiert: Hier sind Traditionalisten am Werk: Da der Orange-Gitarrenverstärker, ein Klangerzeugungsapparat der 70er Jahre. Rechts die die Keyboardburg, auf der Leinwand mittig sinnstiftende Projektionen, Lämpchen gar schön drapiert, die Band fast durchweg in Orange gekleidet. Fehlen nur noch Perserteppiche und orangerote Sessel fürs Publikum, das am Mittwoch Abend sich nicht allzu zahlreich den Weg ins ins Substage fand.

Die Sorte Progressive Rock, die sich so hörbar zu ihren Wurzeln in den 70er Jahren bekannt, kämpft offenbar ein Rückzugsgefecht: Neues jüngeres Publikum ist damit nicht zu gewinnen. Der Fan ist fast durchweg über 40, männlich, rar – aber dafür umso begeisterungsfähiger für das Gebotene ziwschen Kitsch und Kunst: Die Schweden starten mit dem schwersten Brocken ihres aktuellen Albums „Banks Of Eden“. „Numbers“ heisst das fast halbstündige Opus. Es klingt wie ein Soundtrack mit starken laut-leise Kontrasten und besticht in seinen instrumentalen Höhenflügen vor allem durch das inspirierte Gitarrenspiel von Roine Stolt, dem musikalischen Kopf und Motor der Band. Der Mann spielt mit der Aura eines wortkargen, sensiblen Musiklehrers eine genre-untypische, eher an Zappa als am Tonkaskaden ejakulierenden Classic-Rock-Gitarristen geschulte Gitarre, die sich trotz der bis in den letzten Winkel wohlarrangierten Songs improvisatorische Freiheiten nimmt, auch gern mal kratzbürstig und mit Hang zu dissonanten Wendungen.

„Numbers“ zeigt aber – wie fast alle an diesem Abend gespielten Songs das kompositorischen Problem der Flower Kings: Es fehlt die er wirkliche Spannung, die „Longsong“- Genreklassiker wie „Close To The Edge“ von Yes oder „Supper’s Ready“ von Genesis dereinst auszeichnete. Dagegen wirkt das gesamte Oevre der Flower Kings eher wie Kunsthandwerk auf höchstem Niveau. Wie und mit welcher spielerischen Eleganz und mit wie viel Körpereinsatz die Herren ihre Versatzstücke allerdings auf der Bühne aneinanderpappen, das nötigt Respekt ab, und erzeugt in den besten Mpmenten sogar an den Stellen Gänsehaut, die einen beim Hören des entsprechenden Tonträgers eher kalt lassen.

Am besten sind die Herren dann, wenn sie einen Groove einfach mal über Minuten laufen lassen, wenn Drummer Felix Lehrmann und Bassist Jonas Reingold sich langsam aber stetig in Ekstase spielen können. Oder wenn Stolt auf ostinatem Rhythmus die Möglichkeiten diverse Soundeffekte auslotet, um eine Gitarrensolo zu verfremden. Wenn sich dann die kollektive Ekstase wieder Bahn bricht, und Sänger/Gitarrist Hasse Fröberg sich gar gebärdet, als bespiele er ein vollbesetztes Stadion circa 1975, dann mag das zunächst lächerlich wirken, nicht zuletzt angesichts eine Trommlers, der in Flip Flops spielt. Wenn man aber genauer hinschaut, ist es eben eines der Qualitätsmerkmale der Band, dass hier fünf so unterschiedliche Individuen mit einem Altersgefälle von 30 Jahren offenbar ganz prima miteinander harmonieren – und diese Musik in all ihrer Zerrupftheit letztendlich doch zu einer Einheit zusammenzwingen.