Abend der Kontraste

Susanne Sundfør und Ganes beim Tollhaus-Zeltival, Karlsruhe, 28.7.2011

Mit der Stimme könnte man gängige, gefällige Popmusik singen, oder artifiziell hochtoupierten Edelkitsch. Die 25jährige Norwegerin Susanne Sundfør macht aus ihrem stimmlichen Vermögen, das nicht von dieser Welt zu sein scheint, etwa ganz anders: Sie schiebt schicksalsschwere Klangkaskaden, kombiniert mit Elektrobeats und Stammestrommeln auf die Reise und formt daraus eine Musik, die über weite Strecken viel vom unbefangenen Zuhörer abverlangt. Da ist kaum einmal eine vertraute Melodie, selten eine gelernte Songstruktur und auch kein wohliges Schaudern in Melodramatik wie etwa bei ihrer Landsmännin Kari Bremnes.

Ganz im Gegenteil: Kaum hat man sich dran gewöhnt, dass sich ein Programmmusik ähnlicher Sturm zusammenbraut, fällt alles zusammen in schroffen, schrägen, schrillen Elektropop-Disharmonien. Große Themen, dunkle Musik, ein Hauch Wahnsinn – und wenn Eingängiges, dann wird es unverzüglich dekonstruiert, durchaus mit der Tendenz zu lautstarker bedeutungsschwangerer Verblasenheit. Ein Gutteil des Publikums fühlt sich davon offenbar überfordert und flieht, teils unter lautstarkem Protest. Sundfør und ihre Band machen ungerührt weiter und sind am besten dann, wenn das Tosen der Orkane nebelverhangenen Klaviertönen weicht und die klare Stimme der Sängerin für Momente wirklich Raum greifen kann…..

Danach haben es die Ganes mit ihren verhältnismäßig eingängigen Ethno-Pop-Etüden deutlich leichter, was man ihnen nicht zum Vorwurf machen kann. Denn die Live-Performance der Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen mit ihrer Kusine Maria Moling plus Band löst die doch hörbare Bemühtheit ihres zweiten Album „Mai Guai“ ins Wohlgefallen auf. Ihre sprichwörtliche Barfüssigkeit überträgt sich in die durchweg positiven Schwingungen, die die Musik transportiert, ohne sich anzubiedern. Die Feinheiten liegen im Detail. Wer nicht damit beschäftigt ist, auf alle vier Taktteile mitzuklatschen, kann sie durchaus auch hören. Sie veranstalten mit ihrer klangvollen ladinischen Muttersprache wahre Lautmalerei-Orgien, sie illustrieren ihre Lieder mit getupften Geigen-Apercus, vorsichtig-zurückhaltender Percussion. Ihre sorgfältig ineinander verzahnten Stimmen klingen sauber wie Kernseife, und sind dennoch weit davon entfernt, steril zu wirken. 

Der Albumtitel „Mai Guai“ bedeutet soviel wie „Keine Schwierigkeiten“, erzählt Elisabeth Schuen zu beginn. Das Album aber handle durchaus von den Schwierigkeiten, die sie hätten. Allzu belastende können die nicht sein, denn das gesamte Schaffen der Damen ist durchzogen von einer heiteren Melancholie, der mit Sicherheit auch die unterwegs erwähnten „nicht richtigen“ Männer nichts anhaben können. 

Es sind ihre kleinen Geschichten, die die Songs erklären sollen, die sie so sympathisch machen. Wenn Elisabeth von Marlene erzählt etwa, die so gern umzieht. Die dann in eine „große Metropole“ geht, um zu studieren: Klagenfurt, „der Name sagt es ja schon“. Das Lied dazu berichtet davon, nimmt die Stimmung auf, führt die Geschichte fort. Um aber richtig befreit aufzudrehen braucht es dann schon eine Coverversion: Bob Marleys „Redemption Song“ ist das Vehikel für magische drei Minuten, in denen man den Eindruck bekommt, die Mädels setzen jetzt nicht mehr auf Feinheiten, sondern nur noch auf pure Lebensfreude. Diese Anmutung trägt sie dann auch durch den Rest ihres eigenen Materials.