„Es war uns ein inneres Oslo“

Das GlasBlasSing-Quintett im Jubez, Karlsruhe, 20.5.2010

Kann man einfach ins Jubez gehen und zuschauen wie fünf Männer auf Flaschen blasen, statt im TV mitzufiebern, wenn in Oslo Deutschland Liedchen-Päpstin wird? Man kann. Das Jubez ist voll, das Alternativprogramm zum Fernsehabend heißt GlasBlasSing Quintett. Fünf Herren mit Wohnsitz Berlin, denen es tatsächlich gelingt, selbst dem vom anhaltenden A Capella Boom schon langsam leicht genervten Konsumenten eine Facette aufzuzeigen, die er bisher so noch nicht kannte.

Sie blasen, ploppen und hauen Eigenes, Mozart, Carpendale, sogar AC/DC, sie lassen Elvis mit bisher ungeahnten Fähigkeiten und geahnten Sonnenbrillen auferstehen. Dabei hat jeder der Sänger streckenweise eine ganze Flaschenbatterie am Mund, der er die Bandbreite von rhythmischen Cello-Klängen bis hin zu flirrenden Pizzicati entlockt, dass die Funken nur so sprühen und die gerade arbeitslosen Flaschen in ihren Ständern im Bühnenhintergrund leise klirren. Dazu gibt’s Bekenntnisse wie etwas dieses (über die verflossene Liebe Ziehharmonika): „Ich habe sie verlassen für Freibiere in Massen!“

Glas ist nicht nur zum Blasen da, und wenn das Glas nicht ausreicht, ist ein bisschen Zusatzpercussion für einen furiosen Trommeltanz durchaus erlaubt. Für den sonoren Grundbums sorgt die „Wasserpender-Bassdrum“ in direktem Kontrast zur „Wasserspender-Djembe to go“. Die rhythmischen Feinheiten werden dann vom glockenhellen Kleppern und Klappern mit geradezu wissenschaftlicher Sorgfalt und stoischem Blick geschlenkerter Plastik-Getränkekästen appliziert. Da kommt man als alter Anarchist schon mal ins Träumen: Wie käme das, würde man es mal als Flashmob bei der Pfandrückgabe eines großen Supermarktes in Szene setzen? Schöne Vorstellung. Spätestens bei dieser Nummer freut sich der eingangs imaginierte Konsument, dass diese Herren gegenüber vielen gängigen A Cappella Künstlern einen Vorteil haben: Sie sind schräg (und damit auch Geistesverwandte der künftigen Liedchenpäpstin. Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesungen hat).

Überhaupt hat dieses Quintett einen ausgeprägten Sinn für die hypnotische Wirkung von Rhythmen, wohl wissend um die beschränkten Möglichkeiten epischer Bläsersätze auf Flaschen. Das funktioniert beispielsweise hervorragend auf gesampelte Loops, darauf lässt sich pfeilgerad ein zivilisationskritischer Sprechgesang („Anna hat ein Arschgeweih“) zum Thema Body Art platzieren, der viel intensiver wirkt, als würde man ihn auf einem chansonesken Untergrund balancieren. Natürlich ist ihnen das konventionelle Spaßliedchen ebenfalls nicht fremd, so etwa das Loblied auf die Katze. Wenn die allerdings dann auf einem Katzenfahrrad mit Katzenhelm ausgerüstet durch die Wohnung saust, dann ist auch hier den Anforderungen an eine ausreichende Menge Absurdität genüge getan. Genauso, wenn der Frühe Vogel, obwohl schon um fünf Uhr gestartet, den Wurm nicht fängt, weil der eben beim Angeln ist.

Die Karlsruher lassen vor lauter Begeisterung den ganzen Abend über keine einzige Flasche im Saal umfallen, und danken den Sängern, Bläsern, Ploppern mit Standing Ovations. Die danken am Sonntagmorgen auf ihrer Homepage zurück : „Und wir, was haben wir so den Abend über gemacht? Wir würden sagen: 12 Points from Karlsruhe für das GlasBlasSing Quintett. Gefühlt waren es 15 Points. Schon vor den Zugaben sprangen die Damen und Herren im vollen „Jubez“ von ihren Sitzen. Es war uns ein inneres Oslo“.