Trauer in Schallwände verwandelt

God Is An Astronaut im Substage, Karlsruhe, 10.7.2019

In Dezember 2016 wird der siebenjährige Oisin O‘Driscoll von seiner Mutter getötet, sie selbst nimmt sich anschließend das Leben. Oisin ist der Cousin der Brüder Torsten und Niels Kinsella, Gitarrist und Bassist der irischen Postrock-Band God Is An Astronaut. Der tragische Tod des kleine Jungen ist Motivation und zentrales Motiv des Albums „Epitaph“, dessen zentrale Songs bei der laufenden Tour zu hören sind, die am Mittwochabend im Substage Station machte. „Diesmal wollte ich einfach die Hässlichkeit aufs Album bannen, statt ihr zu entfliehen. Dafür brauchte es Finsternis – Frohsinn hat hier nichts zu suchen“, so beschreibt Torsten Kinsella die Grundstimmung in einem Interview des Internet-Musikportals laut.de.

Wenn es denn eine Negativdefinition des von der Band bespielten Genres Postrock gibt, so ist es die ermüdende Gleichförmigkeit der Musik, insbesondere dann, wenn sie rein instrumental sich bläht. Aber wer Ohren hat zu hören, wird bei den Songs der Iren eine faszinierende Detailverliebtheit in den Sounds bemerken. Layer um Layer wird aufgeschichtet, bei jeder Wiederholung des Grundthemas eines Songs kommt eine neue Facette hinzu, als würde man eine gehäutete Zwiebel wieder zusammensetzten, unterbrochen von beinahe schockierenden Laut-Leise-Konrasten. Zudem erlauben sie sich nicht eben genretypische rhythmische Finessen. Der konueptionelle Ansatz geht aber über die Musik hinaus: mit massivem Lichteinsatz – wobei die Musiker selbst im Gegenlicht meist nur schemenhaft zu erkennen sind. 

Etwas freundlicher klingt „The End Of The Beginning“, ein frühes Werk, das von einer vergleichsweise leichtfüssigen Stimmung getragen wird. „Fragile“ – im Intro noch verhuscht mit cleanen Gitarrensounds eingeläutet, entwickelt sich zu einer dräuenden , drängenden Schallwand, einer Art Phil Spector-Sound in Postrock. God Is An Astronaut mögen „offiziell“ in der Schublade Instrumental Postrock stecken, aber gelegentlich singt Torsten Kinsella mit einer Stimme, die klingt als komme sie aus einer anderen Welt. Die nur ein weiteres Instrument in diesem von drei Gitarren und Elektronik erzeugten Wall Of Sound ist.  Der Titelsong des aktuellen Albums „Epitaph“ beginnt als Piano-Ballade, die Trauer und Fassungslosigkeit ausstrahlt und die gefühlte Raum- und Seelentemperatur unter den Gefrierpunkt sinken lässt. Es folgt ein Gitarrentsunami, fähig jede Restfreude auszulöschen. Einer der Höhepunkte des Konzertes ist aber „Suicide by Star“, ein „Oldie“ aus dem Jahr 2005, der sich am Ende zuerst in kantige Progrock-Ryhthmik emporschwingt, um im Double-Bassdrum-Sperrfeuer seine apokalyptische Vollendung zu erfahren. „Wenn Gott beschließt, die Welt zu vernichten, wird er dabei dieses Stück hören“, hat ein User das Video dazu auf youtube kommentiert. Die Vermutung könnte für das gesamte Konzert gelten.